Typ-F-Tag in Schwanewede

Westernreiten auf der Flachsberg Ranch: Von Pferdekunde bis Pflegegrad

Westernreiten plus Pferdekunde, Informationen rund um den Diabetes satt und taugliches Wetter. So lässt sich eine Tagesveranstaltung Mitte Mai unserer Typ-F-Selbsthilfegruppe Bremer Umland knapp und treffend zusammenfassen. Wer mehr wissen will, liest den Artikel.

Der Mai meinte es bisher nicht gut mit den Sonnenanbeterinnen und Anbetern. Umso erfreulicher, dass Petrus beim Westernreit-Angebot unserer Typ-F-Selbsthilfegruppe Bremer Umland unter Leitung von Jörg Ernecker und Maren Ruhmann Gnade walten ließ und zumindest beim Regen alle Fünfe gerade sein ließ. So entstand für die angereisten Familien ein unvergessliches Erlebnis ganz im Western-Style.

Mal ein richtiges Cowgirl oder ein Cowboy sein und einen wilden Mustang zähmen – diese Vorstellung lässt auch heute noch Kinderaugen leuchten. Die Reit- und Lehrangebote der Flachsberg Ranch in Schwanewede verstehen es, Kindern zumindest einen Geschmack davon zu geben, wie es sein muss, täglich mit Pferden umzugehen. Extra für uns nach dem Motto: Wer seinen Diabetes gezähmt kriegt, der schafft auch ein Pferd.

Geländesicher und sattelfest

So begann für die Kinder der Tag zunächst auch mit ein bisschen Pferdekunde. Die voll dem Western-Thema verpflichteten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der wohl östlichsten Ranch von Texas verstehen es jedoch, auch die graue Theorie mit Leben zu füllen. Höhepunkt dieses Teils war eine Art Trockenübung, die das Ablaufen des für den Reitteil vorgesehenen Parcours beinhaltete. Ein patentes Cowgirl oder ein umsichtiger Cowboy muss eben geländesicher sein.

Als es dann an das eigentliche Reiten ging war die Begeisterung nicht zu bremsen. Bei der Frage, wer denn nun als nächstes auf eines der kindgerecht ausgebildeten Pferde steigen möchte, schnellten alle Hände innerhalb weniger Millisekunden nach oben. Hier wurde fair verfahren: Mädchen, Jungen, Klein und Groß alle kamen bunt gemischt dran. Für die ganz Kleinen stand auch ein kleines Pony zur Verfügung – irgendwo muss man ja anfangen.

 

Warum ist Reiten besonders wichtig für Kinder mit Diabetes?

Das Leben mit dem Diabetes bedeutet eine besondere Verantwortung.  Im Umgang mit dem Pferd, also einem anderen Lebewesen, welches angemessen geführt werden muss, lernen Kinder zugleich, auch für sich selbst Verantwortung zu übernehmen.

Kinder mit Diabetes unterliegen oft noch einer gewissen Stigmatisierung.  Schnell zweifeln sie deshalb leider an ihrem Selbstwert. Die relative Kontrolle über ein solch großes Tier wie ein Pferd hilft, den eigenen Selbstwert zu stärken und macht Mut, das Leben selbstsicher anzugehen.

Kinder mit Diabetes profitieren im Besonderen von ausreichend Bewegung.  Den Blutzucker allein mit der Zufuhr von Insulin zu regulieren ist langfristig nicht problemfrei. Jedwede Glucose, die bei Bewegung und Sport verbrannt wird, wird nicht in Fettzellen eingelagert und spart sogar bares Insulin. Reiten motiviert auch eher sportmuffelige Kinder, sich zu bewegen, da der Umgang mit dem Pferd etwas Besonderes darstellt. Zudem kommt das Kind in die Verantwortung, seinen Zucker besonders im Blick zu behalten, da es nicht nur für sich selbst, sondern für ein weiteres Lebewesen Verantwortung trägt.

 

Ein Sensor auch für die Großen

Während die Kinder sich ganz den Pferden verschrieben, nutzten die Erwachsenen die Zeit nicht nur für eine Leckerei vom Grill, sondern informierten sich ausgiebig bei dem bunt gemischten Angebot aus dem Hilfsmittelbereich. Mark Tonne von „Abbott“ bot dem ein oder anderen Elternteil die Möglichkeit, sich einen „FreeStyle Libre 3“ zu setzen, damit auch für die Großen erfahrbar wurde, dass das Anbringen eines solchen rtCGM-Sensors kein Hexenwerk ist.

Carina Grimm von „VitalAire“ gab routiniert und engagiert Bedienungshilfen zur beliebten „T:slim“-Insulinpumpe aus ihrem Hause und Marion Ollivierre von „DIASHOP“ deckte sehr kompetent das restliche Hilfsmittelangebot weiterer Anbieter ab. Keine der 22 anwesenden Familien ging ohne Rat & Tat nach Hause. Aber auch andere Themen rund um das Leben in einer Familie vom Typ F kamen auf den Tisch.

Brennpunktthema Pflegegrad

Passend zu unserem letzten DIA-AID live mit Steuerberaterin und Typ-F-Mutter Kerstin Ecke war in den Gesprächen unter den Eltern immer wieder die Beantragung eines Pflegegrades für das Kind ein großes Thema. Auch hier zeigte sich das im DIA-AID live deutlich gewordene Bild: Es scheint pure Willkür bei der Einstufung vorzuherrschen. Der Widerspruch des einen führt umgehend zur Höherstufung in den Grad 2, während andere noch vor Gericht bangen und kämpfen müssen. An dieser Stelle sei deshalb ausdrücklich unser Nachbericht mit Hilfen zur Antragsstellung und Formulierung eines Widerspruchs empfohlen.

Und nicht zuletzt kam auch die bei uns gelebte Inklusion nicht zu kurz. Nach dem Grußwort der Schwaneweder Bürgermeisterin Christina Jantz-Hermann stellte sich heraus, dass deren Sohn unter einer Zöliakie leidet. Unsere ebenfalls als Gast geladene stellvertr. Landesvorsitzende Anke Buschmann konnte leider nur nachträglich betonen, dass wir für diese Fälle seit Jahren gut gerüstet sind und das Kind problemlos hätte am Grillen teilnehmen können.
 
Die Kinder müde vom Reiten, die Eltern satt und voll mit Informationen – besser kann ein Tag vom Typ F nicht zu Ende gehen. Dazu noch die tolle Organisation und kompetente Umsetzung durch das Team der Flachsberg Ranch und wir konnten zufrieden und dankbar einen weiteren Eintrag in unser Tagebuch zum Aufbau einer modernen organisierten Diabetes-Selbsthilfe machen. Wer Kontakt zur Typ-F-Selbsthilfegruppe Bremer Umland sucht, findet ihn hier.