Rund 17 Millionen Deutsche sind schwer übergewichtig, das heißt bei ihnen liegt ein Body Mass Index von mindestens 30 vor. Nur die wenigsten von ihnen erhalten eine Behandlung nach aktuellen medizinischen Empfehlungen.
Adipositas ist eine Krankheit
„Bis heute müssen Betroffene für ihre Behandlung oft selbst aufkommen. Dies ist mit dem Sozialstaatsprinzip nicht vereinbar und steht im Widerspruch zur Anerkennung der Adipositas als Krankheit“, so Professor Dr. Jens Aberle von der Deutschen Adipositas-Gesellschaft.
Abnehmen ohne professionelle Hilfe schwierig
„Der menschliche Körper verteidigt sein Körpergewicht mit allen Kräften, sodass dauerhaftes Abnehmen den allermeisten Menschen ohne professionelle Hilfe nicht gelingt“, erklärte er weiter. Eine Gewichtsreduktion könne das Risiko für schwerwiegende Folgeerkrankungen wie Herzkrankheiten oder Typ-2-Diabetes verringern. „Doch anstatt ein erhöhtes Körpergewicht frühzeitig zu behandeln, greift unser solidarisches Gesundheitssystem erst dann, wenn die Folgeschäden schon aufgetreten sind“, kritisiert Aberle.
Keine Lifestyle-Beratung, sondern Behandlung einer chronischen Krankheit
Dabei ist die Behandlung von Adipositas keine Lifestyle-Beratung, sondern die Behandlung einer chronischen Krankheit, so das einhellige Statement von Fachleuten. Dass die Behandlung der Adipositas in aller Regel eine freiwillige Leistung der Krankenkassen ist, sei weder gerechtfertigt noch zielführend.
Aktuell muss die Kostenübernahme für die Behandlung von Adipositas vom Patienten beantragt werden. Ob und zu welchem Anteil die Kosten für eine Ernährungsberatung oder eine Bewegungstherapie übernommen werden, sei immer eine individuelle Entscheidung der jeweiligen Krankenkasse.
Gesetzliche Krankenkassen übernehmen nicht die Kosten für Medikamente
Andere Therapien wie beispielsweise Medikamente werden nach Aussagen der Fachleute nicht von den gesetzlichen Kassen erstattet. Lediglich bei geprüften Smartphone-Apps müssen Kassen die Kosten übernehmen. Im Moment erhielten Betroffene zu wenig Unterstützung vom Gesundheitssystem, so Michael Wirtz, der seit Jahren in der Selbsthilfe aktiv und Vorstandsmitglied der Adipositas-Hilfe Deutschland ist.
DMP Adipositas für 2023 erwartet
Viel Hoffnung liegt aktuell auf der Entwicklung eines Disease Management Programms (DMP) für Adipositas. DMPs sind strukturierte Behandlungsprogramme, die chronisch Erkrankten dabei helfen sollen ihre Erkrankung in den Griff zu bekommen und die Lebensqualität zu verbessern und zu erhalten. Die Programme werden in Deutschland seit 2002 von den gesetzlichen Krankenkassen in Zusammenarbeit mit Ärzten angeboten. Sie umfassen regelmäßige Arzttermine mit Beratungsgesprächen und Untersuchungen sowie die Vermittlung von Hintergrundinformationen zum Beispiel durch Schulungen. Arztpraxen, die eine Behandlung im Rahmen von DMP-Programmen anbieten, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllen und festgelegte Qualitätsanforderungen einhalten. Aktuell gibt es DMPs unter anderem für Menschen mit Diabetes, koronarer Herzkrankheit, Asthma und chronisch obstruktiver Lungenerkrankung.
Im kommenden Sommer soll ein strukturiertes Behandlungsprogramm für Adipositas beschlossen werden. Das Grundproblem der fehlenden Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen ist damit aber noch nicht erklärt.
Ab wann Adipositas?
Ab einem Body Mass Index (BMI) von 30 liegt eine Adipositas Grad 1 vor, Adipositas Grad 2 beginnt bei einem BMI von 35. Adipositas-Grad 3 beginnt ab einem BMI von 40.