Auch Gene beeinflussen das Körpergewicht

Kindern mit Übergewicht ohne Vorurteile helfen

Unsere Lebensbedingungen mit wenig Bewegung und immer verfügbarer Nahrung spielen eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von Adipositas. Es gibt aber auch eine genetische Veranlagung für Übergewicht.

Während der Coronapandemie haben vier von zehn Deutschen im Durchschnitt 5,6 Kilogramm zugenommen, bei Menschen mit starkem Übergewicht waren es sogar 7,2 Kilogramm. Auch immer mehr Kinder und Jugendliche sind übergewichtig. „Aktuell sind in Deutschland rund 800.000 Kinder und Jugendliche an Adipositas erkrankt, 100.000 Jugendliche davon an extremer Adipositas“, sagt Prof. Dr. med. Martin Wabitsch aus Ulm. „Ein beträchtlicher Teil der Jugendlichen mit extremer Adipositas hat bereits eine gestörte Glukosetoleranz.“, so der Kinderdiabetologe. Die Gefahr Diabetes Typ 2 zu entwickeln, ist dann hoch.

Starke genetische Veranlagung für Übergewicht

Heute ist bekannt, dass es auch eine starke Veranlagung für Adipositas gibt. Dazu Wabitsch: „Wir entdecken immer wieder neue Gene und Genvarianten, die das Körpergewicht unter den gegebenen Lebensbedingungen beeinflussen.“ Bei etwa jedem fünften Kind mit starkem Übergewicht liegt eine Gen-Variante im Erbgut vor, die für eine Fehlfunktion der Hunger- oder Sättigungsregulation im Gehirn verantwortlich ist. „Diese jungen Betroffenen entwickeln schon im Vorschulalter Adipositas“, erzählt Wabitsch.

Seit kurzem ist für Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren auch das Medikament Liraglutid zugelassen, das bereits bei Erwachsenen zur Behandlung von Typ-2-Diabetes und Adipositas eingesetzt wird. Liraglutid gehört zur Medikamentenklasse der GLP-1 Rezeptoragonisten. „Dieses Medikament ahmt die sättigende Wirkung des Darmhormons GLP-1 nach und wirkt gut in Kombination mit einer Lebensstilanpassung, also mehr Bewegung und einer Ernährungsumstellung“, erklärt Wabitsch.

Adipositas als Krankheit anerkennen

„Wir müssen die Erkrankung Adipositas in der Gesellschaft, aber auch im medizinischen System entstigmatisieren, betont Wabitsch. Dazu könne auch das neue Disease-Management-Programm Adipositas beitragen, das derzeit erarbeitet wird. Es gebe bereits Überlegungen, nach dessen Zulassung auch ein eigenes strukturiertes Behandlungsprogramm für Kinder und Jugendliche mit Adipositas zu konzipieren. Dadurch wird Adipositas als Krankheit anerkannt, sowie Kindern und Jugendlichen eine Behandlung nach Evidenz-basierten Leitlinien ermöglicht. Außerdem setzen sich die Experten der Fachgesellschaft dafür ein, dass eine medikamentöse Behandlung von Adipositas künftig nach Prüfung von den Gesetzlichen Krankenkassen erstattet wird.