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Schulbegleitung für Kinder mit Diabetes: Tatsächliche Bedürfnisse zu selten im Fokus

Eine Schul- oder KiTa-Begleitung für Kinder mit Diabetes zu organisieren, ist leider noch immer mit vielen Hürden verbunden. Dr. med. Sandra Schlüter, Dr. med. Katja Schaaf, Dr. med. Louisa van den Boom und Rechtsanwältin Lisa Völpel-Klaes brachten beim Familien-Bildungswochenende der Diabetiker Niedersachsen ein wenig Licht in den Dschungel aus Paragraphen und Zuständigkeiten.


Es war eine erschreckend bezeichnende Anekdote von Moderatorin Dr. med. Sandra Schlüter, die die Diskussionsrunde rund um KiTa- und Schulbegleitung von Kindern mit Diabetes anlässlich des Familien-Bildungswochenendes der Diabetiker Niedersachsen auf den Punkt brachte: „Meine Eltern mussten meinen Kindergartenplatz ebenfalls einklagen“, berichtete die ebenfalls von Diabetes Typ 1 betroffene Ärztin. „Ich bin daher nicht mit drei Jahren in den Kindergarten gekommen – sondern erst mit fünf!“ Sie habe jüngst dann mal mit ihrer Mutter über die heutige Situation gesprochen. Ihre Mutter sei davon ausgegangen, dass sich mittlerweile dann doch das eine oder andere gebessert habe – und sei entsetzt gewesen, dass „alles noch genauso schlimm wie vor 50 Jahren“ sei.

Aufzeichnung bei YouTube

Schulpflicht und Integration vs. Krankenkasse und Gemeinde

Dr. med. Katja Schaaf konnte das bestätigen: „Wir haben es ja durchaus schon häufiger erlebt, dass Schulen oder KiTas sagen, dass ein Kind ohne Begleitung einfach nicht kommen darf“, sagte sie. „Ich kriege bei so etwas immer Gänsehaut, weil wir ja einerseits durchaus eine Schulpflicht in Deutschland haben und andererseits auch wollen, dass Kinder mit Diabetes integriert sind und leben können wie andere Kinder auch.“

Ein weiterer – von vielen Teilnehmenden ähnlich erlebter – Erfahrungsbericht kam aus dem Publikum. „Unser Antrag auf eine Assistenz im Kindergarten wurde ebenfalls permanent abgelehnt“, erzählte eine Mutter. Die Krankenkasse habe auf die Gemeinde verwiesen – und die wiederum auf die Krankenkasse. Die Folge sei gewesen, dass die Mutter das Kind selbst ein halbes Jahr in der KiTa begleitet habe.

Gesetzesänderung führt zu Unklarheit

Zu allem Überfluss hat nun eine Gesetzesänderung zum 31. Oktober 2023 nicht etwa mehr Klarheit geschaffen – sondern zumindest momentan für noch mehr Unsicherheiten, vagen Zuständigkeiten und unüberschaubaren Antragswegen geführt. Was ist da passiert? Dies konnte die auf die Thematik spezialisierte Rechtsanwältin Lisa Völpel-Klaes erläutern. Während vorher über die Regelungen zur Häuslichen Krankenpflege (HKP) die „spezielle Krankenbeobachtung“ verordnet worden sei, sei nun die Verordnung außerklinischer Intensivpflege (AKI) maßgeblich.

Nur herrsche hier aktuell eine allgemeine Unklarheit, ob Kinder mit Diabetes da mit abgedeckt seien – was die Juristin übrigens grundsätzlich bejaht. In jedem Fall rät Lisa Völpel-Klaes, sich – vor allem von Krankenkassen – nie am Telefon abspeisen zu lassen, sondern immer darauf zu bestehen, alles schriftlich zu erhalten: „Denn dann kann man Widerspruch einlegen!“

Darüber hinaus gebe es aber auch Unklarheit, wohin Anträge zu adressieren seien. Die Rechtsanwältin vertritt auch hier eine klare Auffassung: Alles, was „heilmedizinischer Bedarf“ sei  – also das, was gerade kleinere Kinder im Umgang mit Diabetes benötigten –, sei ganz klar Sache der Krankenkassen.

Fachvortrag von Lisa Völpel-Klaes

Den tatsächlichen Bedarf des Kindes in den Fokus stellen

Dr. med. Katja Schaaf plädierte darüber hinaus dafür, auch mal genauer darauf zu schauen, in welchen Situationen eine Schulbegleitung eigentlich wirklich dringend geboten sei – und in welchen vielleicht auch nicht. „Was das Kind selbstverständlich braucht, ist eine medizinische Versorgung“, so die Diabetologin. „Aber die muss nicht sekündlich sein, da muss niemand dauerhaft daneben sitzen.“

Dr. Schaaf kann sich entsprechend vorstellen, dass eine Gesundheitsfachkraft in der Schule gleich für mehrere Kinder zuständig und ansprechbar ist. Schließlich gebe es ja nicht nur Kinder mit Diabetes, sondern auch Kinder mit Asthma oder Epilepsie. So könne man gewährleisten, dass die Kinder einerseits gut versorgt sind – und andererseits ohne eine Art „Dauerüberwachung“ die Zeit im Klassenraum und auf dem Pausenhof ohne größeres Aufsehen in ihrer Peergroup verbringen könnten. Vermutlich, so Dr. Schaaf, würde ein solches System am Ende sogar Kosten sparen.

Mehr Kommunikation gefordert

Dr. med. Louisa van den Boom, ab Oktober Chefärztin der Kinderklinik und -diabetologie am Helios-Klinikum in Gifhorn, forderte derweil etwas ein, was im gesamten (Nicht-)Zusammenspiel von Gemeinden, Schulen, Kassen und Eltern viel zu wenig vorkomme: Kommunikation. Aus der Praxis berichtete sie, dass sie für ein Kind eine HKP oder auch AKI ausstelle – und sich dann ohne ihr Wissen ein Streit um Zuständigkeiten zwischen Ämtern und Kasse entwickle. Am Ende werde dann schlechtestenfalls eine pädagogische Schulassistenz genehmigt, die das Kind sechs oder acht Stunden begleite – aber eigentlich gar nicht benötigt werde, weil ja von der Diabetologin extra keine pädagogische, sondern eben eine medizinische Fachkraft beantragt worden war.

„Es wäre doch viel einfacher, wenn man sich vorher mal zusammensetzen würde“, so Dr. van den Boom, „und gemeinsam schauen würde, was das Kind eigentlich wirklich braucht.“