Bildung & Familiengemeinschaft

Typ-F-Wochenende in Oldau: Die Einstellung macht‘s!

Selbsthilfe und Familienweiterbildung: Erstmals fand unser Typ-F-Wochenende im Landkreis Celle statt. Die drei Tage mit ihrem Programm aus Infotainment und Empowerment boten eine Menge Stoff, ohne dabei die Unterhaltung zu vergessen.

Spiel, Spaß, Vernetzung und Information: Dafür steht das Typ-F-Wochenende der Diabetiker Niedersachsen. Die seit mittlerweile fünf Jahren etablierte und dem Angebot für die ganze Familie zugrunde liegende Idee war und ist, dass Kinder und Jugendliche mit Diabetes ein abwechslungsreiches Programm aus Unterhaltung und Selbstermächtigung geboten bekommen, während ihre Eltern sich untereinander austauschen und in Sachen Diabetesmanagement weiterbilden können.

Weitreichende Gelassenheit

Sehr deutlich wurde dieses Konzept bereits am ersten Tag des diesmal im Anne-Frank-Haus in Hambühren/Oldau stattfindenden Wochenendes: Am Freitag luden Motivationscoach Michelle Schmidt und Diabetologin Dr. med Katja Schaaf zu zwei Feierabendgesprächen. Michelle hatte dabei die Kids im Blick, Katja die Erwachsenen. Für die letztgenannte Gesprächsrunde gab die Medizinerin der versammelten Elternschaft vor einem prasselnden (virtuellen) Kaminfeuer mit auf den Weg, gerade bei Sprösslingen im Teenageralter eine möglichst weitreichende Gelassenheit zu entwickeln. „Ihr müsst den Rahmen des Spielfelds festlegen, auf dem sie sich bewegen“, riet die Expertin, „aber dieser Rahmen muss so gestaltet sein, dass die Kids sich darauf auch entfalten können.“

Dabei gelte es, dem Nachwuchs und dessen Fähigkeiten zu vertrauen: Gleich eine ganze Reihe von Eltern wusste zu berichten, dass die Kids ihr Diabetesmanagement im Alltag durchaus ganz alleine sehr gut im Griff hätten – lediglich, wenn die Eltern dann dabei seien, würden sie die Verantwortung gerne abgeben, „Na klar“, nahm Katja die Jugendlichen in Schutz, „das gibt denen doch auch Sicherheit. Aber auf der anderen Seite gibt es doch auch euch die Sicherheit, ihnen zu vertrauen, wenn sie dann mal ohne euch unterwegs sind.“ Und wenn es dann mal – etwa bei einer Party – doch nicht so läuft? Katja rät auch dann zur Ruhe. „Perfekte Werte gibt es sowieso nicht“, meinte sie. Also sollte man sich da – unter der Voraussetzung natürlich, dass es nicht wirklich dramatisch wird – ebenfalls keinen übermäßigen Stress machen: „Was in 20 Jahren los ist, wissen wir ja ohnehin nicht. Daher ist es wichtig, dass die Jugendlichen trotz ihres Diabetes im Hier und Jetzt ein schönes und lebenswertes Leben haben. Das ist wichtiger als hier und da mal weniger gute Werte.“

Jugendliche unter sich

Im parallellaufenden Gespräch von Michelle mit Teilnehmern im Teenageralter ging es um die Möglichkeit, trotz Diabetes die Welt zu bereisen. Also etwas, das Michelle gerne und ausgiebig tut. Da das Gespräch mit dem Hintergedanken, dass die Jugendlichen unbeschwert sagen konnten, was sie bewegt oder auch besorgt, absichtlich „ohne Erwachsene und Erziehungsberechtigte“ stattfand, sollen an dieser Stelle auch keine Details preisgegeben werden. Nur so viel: Es gab abenteuerliche Geschichten zu hören, von aufregenden Streifzügen durch entlegene Gegenden mit nur noch einem einzigen verbliebenen Teststreifen oder von zur notdürftigen Pumpenreparatur eingesetzten Kugelschreiberfedern. Kurz: Michelles Fernreisen gingen auch mit Diabetes – auch wenn es ab und zu ein paar haarsträubende Unwägbarkeiten gab. Daraus, so betonte sie es an anderer Stelle, konnte sie aber lernen – und dieses Gelernte nun weitergeben. Sicher ein Mutmacher für viele ihrer Zuhörenden, wie den Gesprächen hinterher zu entnehmen war.

Im Rahmen des Typ-F-Wochenendes fand darüber hinaus auch einmal mehr unser Koch- und Ernährungsworkshop „Gemeinsam satt“ statt. Zudem stellten wir erstmals eine große DIA-AID-live-Hybrid-Veranstaltung auf die Beine. An den Infotischen des Marktes der Möglichkeiten konnten zudem verschiedene Medizintechnikfirmen und Fach- und Versandhändler Diashop ihre Produkte vorstellen. Doch Selbsthilfe und Vernetzung entstehen natürlich nicht nur bei den offiziellen Informations- und Weiterbildungsangeboten – sondern im Laufe eines Wochenendes auch immer dann, wenn Betroffene ganz ungezwungen zusammentreffen, ganz gleich ob beim Frühstück, beim Mittagessen, beim Kaffeetrinken oder abends am Grill.

Unbeschwertes Wochenende

Für die Kinder und Jugendlichen reichte das Angebot neben den bereits erwähnten Aktionen von der Hüpfburg über Bastelaktivitäten bis zu einem Kletterturm. Dabei konnten sie die Unbeschwertheit genießen, ein Wochenende lang mal unter sich – sprich: in der Gemeinschaft mit anderen von Diabetes betroffenen Kindern – zu sein, ohne die im Alltag sonst leider noch zu häufig vorkommende Stigmatisierung erfahren zu müssen. Wenn es hier bei irgendjemandem mal „piept“, ist das nichts Besonderes. Sehr schön war in diesem Zusammenhang auch, wie die älteren Kids ganz selbstverständlich auch ein Auge auf die Jüngeren haben.

Erfreulich auch, dass es neben vielen altbekannten auch sehr viele neue Gesichter gab und Anke Buschmann, stellvertretende Landesvorsitzende und bei den Diabetikern Niedersachsen zuständig für Kinder, Jugend und Familie. eine ganze Reihe erstmaliger – und im Anschluss durchweg begeisterter! – Besucherinnen und Besucher in der Typ-F-Gemeinschaft begrüßen konnte.

„Diabetes ist Einstellungssache!“

Apropos neu: Auch der Ort des diesjährigen Treffens war ein neuer. Nach mehreren Jahren im Obernkirchener JBF Centrum waren wir diesmal also im Oldauer Anne-Frank-Haus, welches mit vielen Infotafeln eindringlich an die Shoa und die anderen Opfer des deutschen Faschismus gemahnt. Dass das Gelände hier im Landkreis Celle etwas weniger weitläufig war, kam bei vielen sehr gut an – während andere dem großzügigen Platz in Obernkirchen hinterher trauerten. Aber so ist es nun einmal: Vieles ist eben Geschmackssache, der eine mag das lieber, die andere jenes – ganz genau so wie es bei Pumpen oder Pens kein richtig oder falsch gibt, sondern lediglich persönliche Präferenzen.

Oder wie es Katja gern formuliert: „Diabetes ist Einstellungssache!“