DIA-AID live hybrid

Teplizumab: Versuchskaninchen Kind oder Weg zur Heilung?

Die am emotionalsten geführte Debatte bei unserer ersten großen DIA-AID-live-Hybrid-Veranstaltung betraf Diabetes-Screenings im Kleinkindalter und das neue, eine den Diabetes aufschiebende, Medikament Teplizumab. Insgesamt gab es da praktisch so viele Meinungen wie Teilnehmende.

„Ich bin einerseits Ärztin und andererseits natürlich auch Mensch – und ich muss ganz ehrlich sagen, dass da zwei Herzen in meiner Brust schlagen“, sagte die Kinderdiabetologin Dr. med. Katja Schaaf zum Einstieg in den Austausch um Diabetes-Screenings im Kleinkindalter und das derzeit viel diskutierte Medikament Teplizumab. Jenes ist in den USA – im Unterschied zu Deutschland – bereits zugelassen und kann den Ausbruch einer Diabeteserkrankung im Idealfall um einige Jahre hinauszögern.

„Wissen nimmt Angst“, griff Dr. Schaaf das Motto der DIA-AID-live-Hybrid-Veranstaltung auf, aber auf der anderen Seite könne das Wissen darum, dass ein Kind irgendwann im Laufe seines zukünftigen Lebens höchstwahrscheinlich an Typ-1-Diabetes erkranken werde, natürlich auch verdammt viel Angst machen. Verunsichere es nicht ungemein, wenn man wisse, dass da eine kommende Erkrankung im Körper des Kindes schlummere?

Sicherheit oder Sorgen?

Sehr viele der Teilnehmenden hatten da eine andere Sicht: Gerade die betroffenen Eltern von Kindern mit Diabetes hätten sich in der Mehrzahl gewünscht, möglichst früh und dementsprechend auch lange vor der Diagnose die Information erhalten zu haben – um sich dann in aller Ruhe auf das Diabetesmanagement vorbereiten zu können. Ein anderer, nicht von der Hand zu weisender, Aspekt ist die Verhinderung von Ketoazidosen, was mithilfe der Früherkennung deutlich besser gelänge als wenn die Diabetes-Diagnose erst mit bereits eingetretener Bewusstlosigkeit gestellt würde.

„Ich habe meinen Typ-1-Diabetes allerdings erst mit 27 bekommen“, wand Anke Buschmann, bei den Diabetikern Niedersachsen zuständig für Kinder, Jugend und Familie, ein. „Wenn ich mir vorstelle, dass meine Mutter schon sehr viel früher gewusst hätte, dass ich mal an Diabetes erkranke – dann hätte sie sich wohl sehr, sehr große Sorgen gemacht und meine Kindheit wäre wesentlich beschwerter gewesen“. Kinderdiabetologin Katja Schaaf fasste es so zusammen: „Wenn man weiß, was auf einen zukommt, dann sind die einen eher beruhigt, weil sie sich in Ruhe vorbereiten können – und die anderen total beunruhigt, weil sie sich sehr viele Sorgen machen. Da gibt es also kein richtig oder falsch, sondern nur unterschiedliche Konsequenzen.“

Screenings und Teplizumab

Ob es nun ein obligatorisches Screening, etwa im Rahmen der verbindlichen Kindervorsorgeuntersuchungen, geben sollte? Auch bei dieser Frage gingen die Meinungen auseinander, einige waren dafür, andere hielten das nicht für nötig – auch und gerade vor dem Hintergrund, dass die Krankheit ja nach derzeitigem Stand ohnehin nicht verhindert werden könne. Nur auf eines konnten sich praktisch alle Teilnehmenden einigen: Wenn es bereits Fälle von Typ-1-Diabetes in der Familie gebe, würden fast alle Eltern ein Screening für den Nachwuchs anstreben.

Kontrovers wurde dann natürlich auch die aufschiebende Wirkung des Antikörper-Präparats Teplizumab diskutiert. „Rein medizinisch und wissenschaftlich betrachtet ist das schon toll“, bemerkte die Northeimer Internistin Dr. med Sandra Schlüter. „Und es bietet natürlich auch Möglichkeiten, Folgeerkrankungen hinauszuschieben.“ Das ist sicher richtig. Auf der anderen Seite verwies Katja Schaaf auf die rasante Entwicklung der AID-Systeme, die natürlich ebenfalls eine den Folgeerkrankungen vorbeugende Wirkung hätten. Die Daten, die jetzt zu Folgeerkrankung vorlägen, stammten ja noch aus einer prä-AID-Zeit und seien somit eigentlich veraltet.

Aus der Teilnehmerschaft im Netz gab es zu Teplizumab derweil eine recht deutliche Meinung: „Lieber das Kind liebevoll mit drei Jahren an den Diabetes heranführen, als es bis in die Pubertät unter Nebenwirkungen hinauszuzögern.“