Wie viel Gesundheit können wir uns als Gesamtgesellschaft in naher Zukunft noch leisten? Dieser durchaus provokanten Frage gingen Experten bei einer von der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung und der Sparkasse veranstalteten Podiumsdiskussion aus der Reihe „ÜberMorgen“ nach.
Etwas detaillierter und etwas weniger plakativ formuliert lauteten die Kernfragen: Was kann getan werden, um den steigenden Kosten im deutschen Gesundheitssystem zu begegnen? Warum wird das System immer kostenintensiver, die Behandlung im internationalen Vergleich aber nicht besser? Und wie lassen sich Hightechmedizin und Alltagsversorgung unter einen Hut bringen?
Prominent besetztes Podium
Um es vorweg zu nehmen: Eine Patentlösung hatte niemand der Diskutierenden parat. Als wahrscheinlich prominentester Gast war Matthias Steiner dabei, der 2008 in Peking Olympiasieger im Gewichtheben wurde, heute als Ernährungs- und Fitnessexperte aktiv ist – und seit seinem 18. Lebensjahr mit Diabetes Typ 1 lebt. Ebenfalls anwesend waren die Unternehmensberaterin für Krankenhäuser und Pharmaunternehmen Heike Kielhorn-Schönermark, der frühere Chef der Kaufmännischen Krankenkasse Ingo Kailuweit, die Direktorin des Instituts für Gesundheitsökonomie an der Leibniz-Universität Prof. Annika Herr sowie die Finanzchefin des kommunalen Krankenhausverbundes „Klinikum Region Hannover“ Barbara Schulte.
Eigenverantwortung der Patienten
Was auffällt: Praktisch alle auf dem Podium vertretenen Personen fordern mehr oder weniger eine erhöhte Eigenverantwortung der Patienten. So meint Gesundheitsökonomin Herr etwa, dass eine gesellschaftliche Debatte über unangenehme Themen wie eine Zuzahlung bei Arztbesuchen nötig sei. Diese Zuzahlung müsse freilich sozial abgefedert sein und dürfe nicht wie die von allen Beteiligten ungeliebte Praxisgebühr erhoben werden. Dennoch sei sie wohl nötig, um die vielen Besuche bei den Ärzten – die Bundesbürger kommen im Schnitt auf 18 Hausarztbesuche im Jahr – einzudämmen.
Auch Matthias Steiner, der in der sehr aus wirtschaftlicher Perspektive diskutierenden Runde am ehesten noch den Patientenblick repräsentiert, macht sich für Eigenverantwortung stark. „Übergewicht ist gesellschaftsfähig geworden“, sagt der seit seiner Gewichtheberkarriere 45 Kilo leichter gewordene Steiner und meint damit, dass zunächst einmal jeder selbst für ein halbwegs gesundes Leben zuständig sei. Und im Fall von Kindern natürlich auch die Eltern, die das vorleben müssten. „Die Vorsorge fängt nicht im Alter von 50 Jahren, sondern im Alter von drei Jahren an“, so Steiner.
Steiner für Ausbau der Telemedizin
Als weiteren wichtigen Faktor sieht Steiner den Ausbau der Telemedizin an. „Chronische Erkrankungen wie Typ-1-Diabetes gehören da hin“, meint der 37-Jährige. Wenn man Werte einfach kurz mit dem Arzt per Telefon bespräche, könne man die Praxis entlasten. Grundsätzlich seien da durch moderne Blutzuckermessgeräte viele Möglichkeiten entstanden. „Früher musste ich ein Tagebuch führen“, so Steiner, „heute hat das Gerät selbst einen Kurvenverlauf und erkennt beispielsweise nächtliche Unterzuckerungen.“ Unternehmensberaterin Kielhorn-Schönermark fordert denn auch direkt, dass diese Daten auch der Forschung zur Verfügung stehen sollten, was Steiner bejaht: Er würde seine Daten gerne im Sinne des Gemeinwohls zur Verfügung stellen.
Grundsätzlich gelte es aber eben, möglichst viel eigene Vorsorge zu treffen. „Ich gehe gleich auch zu Fuß ins Hotel“, so Steiner.