DIA-AID live

Diabetes-Therapie mit Heilsteinen und NASA-Hauben? – Finger weg!

Metformin durch Labkraut ersetzen, mit Zimt den Blutzuckerspiegel senken und das dann auch noch mit hypermodernen Geräten ohne Pieksen überprüfen: Das Internet und die sozialen Medien sind voll von teils obskuren Heilsversprechen für Menschen mit Diabetes. Berater Heiko Müller brachte Licht in den dubiosen Schwurbel-Dschungel.


Zugegeben, es klingt schon verlockend: Eine neue Generation von Blutzuckermessgeräten verspricht ein nicht-invasives Glucose-Monitoring – also eine Kontrolle der Werte ohne Nadel und ohne Stechen, einfach an der Hautoberfläche. Der Diabetesberater Heiko „Basalrate“ Müller warnte bei der letzten DIA-AID-live-Veranstaltung des Jahres 2024 allerdings nachdrücklich vor solchen Geräten. Denn, so meinte er sinngemäß, man müsse sich ja schon fragen, warum eine solche sicherlich mit großer Nachfrage gesegnete Innovation den Diabetes-Hilfsmittelmarkt nicht im Sturm erobert hätte, wenn sie denn zuverlässig funktionieren würde. Schließlich würden die renommierten Hersteller ja wohl innerhalb kürzester Zeit solche Geräte auf den Markt bringen, schon allein um von der Konkurrenz nicht abgehängt zu werden.

Stattdessen würden die verheißungsvollen Gadgets bei chinesischen Online-Händlern angeboten. Und wenn man dann in der Produktbeschreibung ein konfuses Kauderwelsch lese wie „Blutzucker Messgerät kontinuierliche Überwachung nicht-invasiver Monitor Blutzucker test Überwachungs System Diabetes Schönheit“ (sic!) – ja, dann sollte man nicht nur ein wenig stutzig werden, sondern ganz konsequent die Finger von so etwas lassen.

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Gesunden Menschenverstand einschalten

Generell empfahl Heiko, bei allen angebotenen Mittelchen den gesunden Menschenverstand einzuschalten und mal genauer auf die Beschreibungen zu achten. Denn auch wenn diese nicht so augenscheinlich hanebüchen daherkämen wie die oben zitierte von dem chinesischen Online-Händler, könne man da schon viel über die eher zweifelhafte Wirksamkeit entdecken.

Werfe man beispielsweise eine Blick auf eine im Netz zu findende Beschreibung für ein bereits eher vage als „wahrscheinlich der am häufigsten eingesetzte Pflanzenextrakt für eine verbesserte Blutzucker-Kontrolle“ tituliertes Mittel, so lese man konkret: „Die Ergebnisse verschiedener Studien legen nahe, dass durch Gymnema sylvestre eine Wiederherstellung oder eine Art Belebung der insulinproduzierenden Beta-Zellen des Pankreas erreicht werden.“ Achtung! Es gehe also um verschiedene Studien (!), die nahe legen (!!), dass eine „Wiederherstellung“ (!!!) oder auch „eine Art Belebung“ (?) der Beta-Zellen erreicht werde. Heiko empfand eine solche Beschreibung nicht nur als „krass“, sondern bereits als „grenzwertig kriminell“.

 

Labkraut statt Metformin?

Als etwas weniger obskur aber dennoch problematisch wertete Heiko die theoretische Möglichkeit, bestimmte Medikamente mit rein pflanzlichen Produkten zu ersetzen. Als Beispiel sei hier der Arzneistoff Metformin genannt. So gebe es tatsächlich eine Reihe Pflanzen mit Inhaltsstoffen, die dem Metformin sehr ähnlich seien und dementsprechend auch eine ähnliche Wirkung hätten. Labkraut wäre so eine. Wenn man also zum Frühstück zwei Liter Labkrauttee trinke (der im Übrigen ziemlich scheußlich schmecke!), könne man wohl tatsächlich eine Verbesserung des Blutzuckerspiegels erreichen. Allerdings wisse man nie, wie viel Wirkstoff man nun tatsächlich zu sich nehme. Das lasse sich bei einem Tee auch gar nicht kontrollieren. Eine echte Therapie sei so definitiv nicht möglich.

Auch Zimt sei immer mal wieder im Gespräch, eine blutzuckersenkende Wirkung zu haben. Auch hier sei aber einerseits überhaupt nicht klar, welche Dosis man einnehmen müsse, um diese Wirkung zu erzielen. Und andererseits müsste die Dosis wohl so hoch sein, dass der häufig mit Schadstoffen belastete Zimt dann eine eher negative Wirkung auf den Gesamt-Organismus habe: Bei der „normalen“ Zimt-Nutzung als Gewürz sei das vergleichsweise unproblematisch – bei hochdosierten Zink-Kapseln sehe das aber anders aus. Heikos Fazit also auch hier: Finger weg!

Komplett ins Reich der Scharlatanerie verwies Heiko die Möglichkeit, dem Diabetes mit Heilsteinen oder ominösen NASA-Hauben zu begegnen. Eine Hot-Stone-Massage sei sicher toll – aber im Bereich von „Wellness“ anzusiedeln und keinesfalls im Bereich „Diabetes-Heilung“.