DIA-AID live

Fett, Protein, Insulin: FPE endlich übersichtlich erklärt

Grundsätzlich ist das mit diesen Fett-Protein-Einheiten (FPE) gar nicht so kompliziert – und dennoch individuell ziemlich unübersichtlich und bisweilen ganz schön knifflig. Bei einem sehr informativen DIA-AID live ließen wir uns das alles mal von Grund auf und sehr übersichtlich erklären.


Manchmal kann eine Frage ein ganzes Thema illustrieren: Wann sich denn der Blutzucker erhöhe, wenn man nichts außer Quark esse, wollte eine Teilnehmerin bei der jüngsten DIA-AID-live-Veranstaltung wissen. Die naheliegende Antwort wäre: Im Grunde gar nicht. Schließlich enthält Quark praktisch keine Kohlenhydrate, sondern Fett und Proteine. So, und jetzt wird es verzwickt. Denn einerseits kann das genau so stimmen – und andererseits eben auch nicht. Ja, wie jetzt?

Das müsse man schlicht und ergreifend austesten, erklärte der Diabetesberater und FPE-Experte Heiko Müller. Wenn man beispielsweise eine gut eingestellte Basalrate habe und ein AID-System nutze, solle man einfach mal eine normale Portion Quark essen – und dann schauen, was mit dem Blutzucker passiere. Wenn es keinen Anstieg gebe, brauche man auch nichts zusätzlich zu berechnen. „Wenn du aber siehst, dass nach drei Stunden der Blutzucker ansteigt, müsstest du dir dann Insulin dafür geben.“

Auch für Fett und Protein wird Insulin benötigt

Denn da liege quasi das Grundprinzip der FPE: Traditionell werde für die Insulindosierung ja die Menge an Kohlenhydraten berechnet. So weit, so klar. Nur: Auch für die Menge an zu sich genommenem Fett und Protein brauche man eine gewisse Menge an Insulin.

Oder anders formuliert: Wenn man zum Frühstück lediglich zwei trockene Brötchen esse, könne man das zunächst mal recht traditionell berechnen. Und es bleibe auch dabei, wenn man auf diese Brötchen Honig oder Marmelade schmiere, einen Obstsalat dazu esse – oder auch, wenn man statt der zwei trockenen Brötchen eine Tüte Gummibärchen esse, also insgesamt im Bereich der Kohlenhydrate bleibe. Sobald man aber zum bekannten Kohlenhydratfaktor der Brötchen statt weiterer Kohlenhydrate nun Wurst, Käse oder Lachs – also Fett und Proteine – zu sich nehme, müssten die FPE zusätzlich berechnet werden.

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FPE automatisch mitgedacht?

Aha, und warum stimmen die Werte dann in so vielen Fällen, auch wenn die FPE nicht gesondert berechnet werden? Tja, da wird es dann richtig verzwickt. Wer nämlich regelmäßig und über den Tag verteilt recht bekannte Gerichte zu sich nehme, habe aus der Erfahrung heraus mitunter die FPE quasi automatisch mit ins Spritz-Ess-Verhalten integriert. „Vieles in der Diabetologie spielt sich ja über Gewohnheiten ab“, erläuterte Heiko Müller. Wer beispielsweise regelmäßig eine gleichgroße Portion Nudeln mit Bolognese-Sauce esse, wisse irgendwann ziemlich genau, wie viel Insulin dafür benötigt werde – und würde damit im Grunde unbewusst auch die FPE mit einbeziehen.

Schwieriger werde es derweil, wenn man von diesen Gewohnheiten mal abweiche. Wenn man beispielsweise statt der Bolognese-Sauce mal Ketchup zu den Nudeln esse, könne es schnell problematisch werden: „Da nimmt man ja reine Kohlenhydrate zu sich, der Essensfaktor ist aber auf FPE mit ausgelegt – und schon hat man den Ärger mit dem Blutzucker.“

Berechnung von Fett-Protein-Einheiten

Insofern sei es eben durchaus sehr wichtig, die FPE möglichst immer mitzudenken – und zu berechnen. Ganz so einfach ist diese Berechnung allerdings – wie sollte es bei FPE auch anders sein! – dann ebenfalls nicht. Eine Formel lautet: X Gramm Fett pro Mahlzeit mal Neun plus X Gramm Eiweiß pro Mahlzeit mal Vier – und das geteilt durch hundert ergibt die FPE, wobei dann pro FPE so viel Insulin wie für eine KE benötigt wird. Kompliziert …

Nur gut, dass die Diabetes-DIY-Comunity in Person von Heiko Scharfenort die App WETID ins Leben gerufen hat. Diese kennt für 550.000 Lebensmittel, Produkte und Gerichte nicht nur BE, KE und grKH, sondern berechnet anhand der oben genannten Formel auch die entsprechenden FPE. Heiko Scharfenort berichtete im DIA-AID live ebenfalls von seinen Erfahrungen. So habe er bei seinem an Diabetes Typ 1 erkrankten Sohn – der letztlich der Anlass der App-Entwicklung war – darauf geachtet, Kohlenhydrate möglichst zu meiden und stattdessen mehr auf Wurst, Käse und Ähnliches zu setzen. Nur hätten die Werte eben trotzdem häufig nicht gestimmt.

„Da sind wir dann auf FPE gekommen“, so Heiko Scharfenort, „und auch darauf, dass die gar nicht so einfach zu verstehen und darüber hinaus auch nicht so einfach auszurechnen sind. Das war für mich der Grund, die FPE in die App zu integrieren.“

„Macht ein bisschen Mühe“

Und was bleibt nun als Fazit der von knapp 200 Teilnehmenden besuchten Online-Selbsthilfeveranstaltung. Eventuell kann man das gut mit dem Kommentar von Teilnehmerin Karoline im begleitenden Chat zusammenfassen: „Dankeschön. Ich denke, dass ich da noch mehr Schulungen brauchen werde, bis das richtig sitzt“, schrieb sie. Und weiter: „Ergebnis bis jetzt: So schlimm ist das nicht, macht aber ein bisschen Mühe.“