Prof. Dr. med. Stephan Martin aus Düsseldorf und Prof. Dr. med. Stephan Jacob aus Villingen-Schwenningen trafen sich im Mai auf dem großen Diabetes-Kongress in Berlin. Dort diskutierten sie über die Frage, ob eine Veränderung des Lebensstils ausreichen kann, um Diabetes Typ 2 beherrschen zu können. Martin sagt ja, Jacob nein.
Martin: Heilung allein durch starken Gewichtsverlust
„Einmal Diabetes - immer Diabetes“, diese Behauptung stimmt Martin zufolge nicht. Diabetes Typ 2 sei keine Einbahnstraße. Dies zeigten unter anderem die Daten der sehr viel besprochenen britischen DiRECT-Studie aus dem Jahr 2017. Weitere Studien untermauern diese Ergebnisse.
Studie:"Effect of intensive lifestyle intervention on bodyweight and glycaemia in early type 2 diabetes (DIADEM-I): an open-label, parallel-group, randomised controlled trial"
Studie:"A randomized controlled trial of pharmacist-led therapeutic carbohydrate and energy restriction in type 2 diabetes"
„Es gibt die Kehrtwende zurück in die Gesundheit – in die klinische Remission“, so Martin. Dazu gehöre allerdings ein radikaler Gewichtsverlust. Wie die DiRECT-Studie zeigt, waren zwei Jahre nach Beginn der Studie noch 70 Prozent derjenigen Teilnehmer wieder diabetesfrei, die es geschafft hatten über 15 Kilogramm abzunehmen. Bei den Studienteilnehmern war im Durchschnitt der Diabetes seit vier Jahren bekannt, drei Viertel von ihnen nahmen ein Medikament ein. Die sehr radikale Abnahme erfolgte zu Beginn mithilfe einer Formuladiät mit sehr wenigen Kalorien pro Tag.
Laut Martin verschwindet Diabetes bei einem raschen Gewichtsverlust auch bei Personen, die bereits vor über zehn Jahren erkrankt sind. Nach einer einwöchigen Phase mit einer radikalen Formuladiät, erfolgte der Übergang zu einer kohlenhydratarmen Ernährung.
Eine Ernährungsumstellung verbessert den Diabetesstoffwechsel deutlich, betont Martin, außerdem müssten dann auch viel weniger oder gar keine Medikamente eingenommen werden. „Diese wissenschaftlichen Studien, die alle in hochrangigen Fachzeitschriften veröffentlicht wurden, zeigen, dass bei Typ-2-Diabetes kein Weg an einer Lebensstilmodifikation vorbeigeht“, schlussfolgerte Martin. „Krankenkassen und Gesundheitspolitik sind nun gefordert, Rahmenbedingungen zu schaffen, damit diese Erkenntnisse breiten Bevölkerungsgruppen zugutekommen.“
Jacob: Umstellung des Lebensstils allein reicht nicht aus
Jacob vertritt einen anderen Standpunkt. Typ-2-Diabetes sei eine Erkrankung, die nicht erst mit zu hohen Zuckerwerten beginnt. Erkrankungen des Herzens und der Gefäße könnten bereits vorliegen, wenn der Arzt die Diagnose Typ-2-Diabetes stellt. Dies sei bei jedem Zweiten der Fall.
Über 80 Prozent der Typ-2-Diabetiker hätten darüber hinaus ein metabolisches Syndrom, zu dem neben einer Insulinresistenz auch Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörungen zählen.
Laut Jacob sollte nicht nur an die Zuckerwerte gedacht werden, sondern auch ein erhöhter Blutdruck und zu hohe Cholesterinwerte gesenkt werden. Rauchen sollte unbedingt gestoppt werden. Weder Lebensstiländerungen noch Metformin könnten auf lange Sicht schwerwiegenden kardiovaskulären Problemen vorbeugen. Allerdings zeige sich, dass sich durch einen Gewichtsverlust von mindestens zehn Prozent des Körpergewichts die Zahl dieser Probleme um über 20 Prozent reduzieren lasse. „Eine starke Gewichtsabnahme ist also durchaus sinnvoll“, so Jacob.
Zusätzlich Medikamente würden laut Jacob aber die Wahrscheinlichkeit für Erkrankungen am Herzen und den Gefäßen deutlich reduzieren und würden Menschen mit Diabetes vor Krankenhausaufenthalten schützen. Die passenden Medikamente sollten diesem Personenkreis nicht vorenthalten werden. Eine Veränderung des Lebensstils wie eine Abnahme des Körpergewichts sollten parallel dazu verlaufen.