Erwartungen bisher nicht erfüllt

AOK und Fachgesellschaften fordern Gesetze zur Reduktion von Zucker

Gemeinsam mit dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte sowie der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) fordert der Bundesverband der AOK gesetzliche Maßnahmen wie eine Zuckersteuer.

Die nationalen Anstrengungen blieben - was die Reduktion in Lebensmitteln betrifft - deutlich hinter den Erwartungen zurück, so der AOK-Bundesverband auf dem dritten von der Krankenkasse veranstalteten Zuckerreduktionsgipfel nach der Vorstellung erster Zwischenergebnisse. Zusammen mit den Kinderärzten und der DDG fordert die AOK die Politik dazu auf, über gesetzliche Vorgaben wie etwa einer Softdrink-Steuer auf zuckerhaltige Getränke nachzudenken.

„Mit Appellen kommen wir nicht weiter“

„Wenn wir die gesundheitlichen bedenklich hohen Zuckerzusätze senken wollen, kommen wir mit Appellen nicht mehr weiter. Jetzt braucht es weitere verbindliche Instrumente.“, erklärte der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands Martin Litsch. Gemeint ist damit beispielsweise eine Herstellerabgabe auf zuckergesüßte Erfrischungsgetränke.

 „Kinder und Jugendliche trinken im Durchschnitt bis zu einem halben Liter zuckergesüßte Erfrischungsgetränke pro Tag. Im europäischen Vergleich liegt Deutschland damit auf dem dritten Platz“, erklärte Dr. med. Sigrid Peter vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte. „Das ist erschreckend, vor allem, wenn man die gesundheitlichen Folgen sieht, mit denen wir Pädiater tagtäglich in unseren Praxen konfrontiert sind.“

„Kinder schützen, nicht die Konzerne“

Die drei Verbände plädieren für ein gesetzlich verankertes Werbeverbot für überzuckerte und sehr kalorienreiche Kinderlebensmittel und für eine Herstellerabgabe auf zuckergesüßte Erfrischungsgetränke. Unterstützt werden diese Forderungen auch von Renate Künast, die sich in der Diskussion für „verpflichtende Reduktionsziele auf wissenschaftlicher Basis“ stark machte: „Wir müssen die Kinder schützen und nicht die Konzerne."

Die Grünen-Politikerin machte sich außerdem für einen verpflichtenden Nutri-Score auf EU-Ebene stark. Die Nährwertkennzeichnung mit dem fünfstufigen Buchstaben- und Farbsystem von Grün bis Rot ist seit Anfang November auch in Deutschland gesetzlich erlaubt, aber leider nicht verpflichtend. „Bei einer freiwilligen Lösung macht ein Hersteller das Kennzeichen doch nur drauf, wenn er sich im grünen Bereich befindet", kritisiert Künast.

Großbritannien macht vor, wie es geht

Aus Sicht von DDG-Präsidentin Prof. Dr. med. Monika Kellerer hat neben fünf EU-Staaten besonders Großbritannien eindrucksvoll bewiesen, welche Erfolge man gerade bei Softdrinks mit steuerlichen Anreizen erreichen kann. Nach der 2018 eingeführten zweistufigen Steuer auf Getränke mit einem Zuckergehalt bis 5 Gramm und über 8 Gramm pro 100 Milliliter sei der durchschnittliche Zuckergehalt in Erfrischungsgetränken im Vereinigten Königreich um etwa 34 Prozent auf 2,9 Gramm pro 100 Milliliter zurückgegangen.

„Zuckersenkung im homöopathischen Bereich“

Hier kann Deutschland nicht mithalten. Der Zuckergehalt von Limonaden ist laut AOK-Bundesverband von im Schnitt 9,08 Gramm auf 8,92 Gramm pro Milliliter gesunken und damit um gerade einmal um 2 Prozent. „Wir sprechen hier in der Breite über Reduktionen im homöopathischen Bereich. Erforderlich ist eine Senkung um mehrere Gramm, nicht Milligramm", betonte Litsch.

Viel zu viel Zucker im Müsli

Immer noch deutlich zu viel Zucker enthalten auch immer noch Frühstückscerealien. Ganze 24 Gramm Zucker enthalten im Durchschnitt Getreideerzeugnisse mit Schokolade, die speziell für Kinder vermarket werden. Der Trend geht zwar auch hier zu weniger Zucker, aber gerade Produkte für Kinder enthalten immer noch viel zu viel von dem ungesunden Lebensmittel. Dazu Keller: „Es wird deutlich, dass die freiwilligen Verpflichtungen der Lebensmittelindustrie leider unzureichend sind, um eine messbare und zielführende Zuckerreduktion zu erreichen“.


Limo-Hersteller wegen zu wenig Zucker abgemahnt!

Erst kürzlich wurde die Bio- und Fairtrade-Limonade der Hamburger Firma Lemonaid vom Bonner Verbraucherschutzamt abgemahnt, weil sie zu wenig Zucker enthält. Nur 5,6 Prozent Zuckergehalt waren in der Laborprobe in der Maracuja-Limonade festgestellt worden, laut den amtlichen „Leitsätzen für Erfrischungsgetränke" muss eine Limonade mindestens 7 Prozent Zucker enthalten, damit sie sich Limonade nennen darf.
Wie die Zeitschrift „Stern“ berichtet, wandte sich Lemonaid an die Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU), die sich ja zumindest verbal für weniger Zucker in Lebensmittel einsetzt. Klöckners Ministerium erklärte sich hier für nicht verantwortlich. „Die Leitsätze werden von der unabhängigen Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission erarbeitet, die sich aus Vertretern der Lebensmittelüberwachung der Länder, der Wissenschaft, der Verbraucherschaft und der Lebensmittelwirtschaft zusammensetzt", schreibt das Ministerium. Das Bundesministerium ist also in diesem Gremium gar nicht involviert.