DDG: Warnschuss für nationale Gesundheitssysteme

Weltweite Verdoppelung von Diabetes Typ 1 bis 2040

„Die versteckte Diabetes-Pandemie wird dramatische Auswirkungen auf das deutsche Gesundheitssystem haben“, warnt die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DGG). Deutschland müsse endlich deutlich mehr in die Vorbeugung von Diabetes und die Versorgung von Menschen mit Diabetes Typ 1 investieren.

Die Ergebnisse einer aktuellen Studie, die in der renommierten wissenschaftlichen Zeitschrift The Lancet veröffentlicht wurde, schlagen in Fachkreisen ein wie eine Bombe. Die Autoren prognostizieren, dass sich die Erkrankungszahlen für Diabetes Typ 1 bis 2040 von etwa 8,4 Millionen aktuell auf bis zu 17,4 Millionen verdoppeln könnten.Die Studie veröffentlichte für Länder weltweit konkrete Zahlen zu ihrer derzeitigen nationalen Diabetes-Lage.

Diese Daten seien ein Warnschuss für alle Länder: „Eine Verdoppelung der weltweiten Erkrankungsfälle stellt weltweite Gesundheitssysteme vor enorme Herausforderungen“, so Prof. Dr. med. Andreas Neu von der DDG. „Nicht nur beim Diabetes Typ 2, der häufig Folge eines ungünstigen Lebensstils ist, müssen wir mit enorm steigenden Zahlen rechnen. Die Autorinnen und Autoren zeigen in aller Deutlichkeit, dass auch bei der Autoimmunerkrankung Diabetes Typ 1 der Bedarf an diabetologischer Expertise und Versorgung weltweit ansteigen wird.“

Immer mehr Erwachsene unter den Neuerkrankten

Mittels einer Modellrechnung ermittelten die Wissenschaftler für 201 Länder Fallzahlen, Neuerkrankungen und die Sterblichkeitsrate von Diabetes Typ 1, inklusive aktueller Zahlen. „Die Studienergebnisse sind auch für Deutschland relevant. Sie zeigen, dass hierzulande inzwischen über 422.000 Menschen leben, die einen Diabetes Typ 1 haben, und verrät Interessantes über die Altersstruktur: Wie auch in anderen Ländern ist inzwischen eine deutliche Mehrheit der Betroffenen älter als 20 Jahre“, erklärt Neu. „Es scheint, dass immer mehr Menschen im Erwachsenenalter diese Diagnose erhalten.“

Diabetes Typ 1 - Veranlagung und Umwelt

Die Ursachen für Typ-1-Diabetes sind bis heute nicht vollständig aufgedeckt. Die Forschung geht derzeit von verschiedenen Faktoren aus, die die Erkrankung begünstigen könnten. Erbanlagen spielen eine Rolle bei Diabetes Typ 1. Eine genetische Veranlagung bedeutet aber nicht, dass man auch erkrankt. Von etwa zehn Personen mit Diabetes Typ 1 in der Familie erkranken nur etwa eine bis zwei selbst. Und andersherum haben nur einer bis zwei von zehn Typ-1-Diabetikern einen betroffenen engen Verwandten.

Umweltfaktoren müssen also auch eine Rolle spielen. Welche genau, ist nicht endgültig geklärt. Es werden jedoch einige Faktoren diskutiert. Dazu gehört zum einen eine Infektion mit Coxsackie-Viren. Auch das Zufüttern glutenhaltiger Getreidebreie in den ersten Lebensmonaten scheint das Risiko für Diabetes Typ 1 zu erhöhen. Zudem scheint eine Geburt per Kaiserschnitt bei genetischer Vorbelastung das Risiko zu erhöhen, Typ-1-Diabetes zu entwickeln.

In vielen Ländern bedeutet Diabetes Typ 1 den frühen Tod

Für einkommensschwache Länder mit wenig Aufklärung und schlechten Versorgungsstrukturen wird die Situation besonders schwierig. Dazu Neu: „Erschreckend ist, dass seine Heimat darüber entscheidet, ob ein 10-jähriges Kind mit Typ-1-Diabetes 7 oder 70 Jahre mit seiner Erkrankung leben kann.“ In vielen Ländern bedeutet die Diagnose Diabetes Typ 1 den frühen Tod.

Auch die Politik in Deutschland sollte sich dringend diesem Problem widmen. „Doch besonders in der Diabetologie sind personelle und finanzielle Ressourcen über Jahrzehnte dem Rotstift zum Opfer gefallen“, kritisiert Prof. Dr. med. Baptist Gallwitz von der DDG. So seien die Fächer Endokrinologie und Diabetologie an den derzeit 37 staatlichen medizinischen Fakultäten in Deutschland nur noch mit 8 bettenführenden Lehrstühlen repräsentiert. Immer weniger angehende Medizinerinnen und Mediziner würden dadurch Kenntnisse in der Diabetologie erhalten. „Wenn die Entwicklung so weitergeht, müssen auch hierzulande Menschen mit einem Typ-1-Diabetes deutliche Versorgungsprobleme und eine reduzierte Lebenserwartung befürchten“, mahnt Gallwitz.