Missstände ohne Ende

Pflege: Versorgung von Diabetes im Alter oft mangelhaft

Das Personal in Pflegeheimen ist nur selten auf die neuesten Therapien zur Behandlung von Diabetes geschult, so der Verband der Diabetes-Beratungs- und Schulungsberufe in Deutschland e.V. (VDBD). Pflegebedürftige Betroffene würden deshalb oft nicht fachgerecht und zeitgemäß versorgt.


Schonmal davon gehört, dass im Pflegeheim von „Insulinmessen“ oder „kein Zucker für Diabetiker“ gesprochen wird?  Noch immer müssen viele pflegebedürftige Menschen mit Diabetes auf eine Behandlung nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft verzichten. Das Pflegepersonal im ambulanten und stationären Bereich ist nur selten über die neuesten Therapiemethoden informiert.

Tausendfache Unterversorgung

Ändere sich nichts an dieser Situation, würden künftig tausende Menschen unterversorgt, so der VDBD in einer aktuellen Pressemitteilung. Aktuell lebten in Deutschland über 100.000 Menschen über 70 mit Diabetes Typ 1 und die Zahl dürfte in den kommenden Jahren steigen. Darin noch gar nicht eingerechnet sind die vielen weiteren Menschen mit Diabetes Typ 2, die ebenfalls insulinpflichtig sind. Können sie das Handling ihrer Erkrankung nicht mehr selbst übernehmen, übernehmen diese Aufgabe Angehörige, Pflegedienste oder das Personal von Pflegeheimen.

Bei Demenz ist Kompetenz gefragt

„Bei älteren Menschen ist zunächst der Erhalt ihrer Eigenständigkeit das oberste Therapieziel“, erklärt Yvonne Häusler vom VDBD. Da bei vielen älteren Menschen die Feinmotorik nachlässt und auch Demenz eine Rolle spielt, sollte jederzeit eine kompetente und zuverlässige Therapieunterstützung möglich sein. Doch weder der Erhalt der Selbstständigkeit noch die angemessene Unterstützung seien durch die derzeitige Versorgungssituation in Pflegeheimen gewährleistet, kritisiert die Expertin. Auch im privaten Umfeld seien Angehörige oft überfordert.

Lebensverkürzung verhindern

Ein individueller Pflegeplan, ein sorgfältig eingehaltener Behandlungsplan, die Kontrolle des Blutzuckerspiegels und die angepasste Gabe von Insulin sind wichtig, um lebensverkürzende Komplikationen zu vermeiden. „Pflegeheime müssen sicherstellen, dass entsprechende Testgeräte vorhanden sind, dass die Pflegekräfte zu Diabetes, Insulingabe und -management geschult und in der Lage sind, Notfall-Situationen wie eine drohende Unterzuckerung zu erkennen“, so Häusler. Auch Diabetes-Komplikationen wie Fußprobleme oder Augen- und Nierenerkrankungen sollten im Blick behalten werden.

Moderne Hilfsmittel weggenommen

Die Realität sieht aber anders aus, sowohl in Pflegeheimen als auch was die Kompetenzen ambulanter Pflegedienste betrifft. „Wenn überhaupt liegt die Aufmerkamkeit eher auf Typ-2-Diabetes, der bei älteren Menschen wesentlich häufiger auftritt und deutlich weniger an Pflege bedarf“, erläutert Diabetesberaterin Theresia Schoppe vom VDBD.

Derzeit seien Heimbewohner meist gezwungen, ihre Insulinpumpe und ihr CGM-Messgerät an der Pforte des Pflegeheims zugunsten herkömmlicher Blutzuckermessegeräte und Insulin-Pens abzugeben. „Würde an dieser Stelle in entsprechende Ausbildung und Schulung investiert, könnten Betroffene künftig weiterhin von der sicheren und effektiven technologischen Unterstützung profitieren. Gleichzeitig wären die Pflegekräfte deutlich entlastet, da Mahlzeiten, Bewegung und Insulingabe digital aufeinander abgestimmt und überwacht werden können“, gibt Schoppe zu bedenken. „Unsere Erfahrungen zeigen aber, dass Pflegekräfte leider nur selten für entsprechende Diabetesschulungen freigestellt werden. Sie müssen die Fortbildung oft in ihrer Freizeit machen.“

Bedarf an kompetenter Pflege wächst

Der Bedarf an kompetenter Pflege steigt, da zum einen immer mehr Menschen mit Diabetes die neuen Technologien nutzen und zum anderen sich damit auch die Lebenserwartung erhöht. Neben den Schulungsangeboten für Pflegende bietet der VDBD auch das Schulungsprogramm „DiaLife“ an, welches sich explizit an Angehörige richtet. Derzeit ist die Schulung von Angehörigen aber noch nicht im Leistungskatalog der Krankenkassen verfügbar und muss privat finanziert werden. „Interessierte sollten sich diesbezüglich vom behandelnden Diabetesteam beraten lassen“, rät Schoppe.

Der VDBD fordert, dass Schulungen für Pflegende, Angehörige und Patienten einheitlich geregelt und finanziert werden. Ihr Appell gilt den Verantwortlichen der Pflegeeinrichtungen, Krankenkassen, aber auch der jeweiligen Landespolitik, hier einen strukturierten und sicheren Finanzierungs- und Versorgungsrahmen zu schaffen.