Discounter ändert Strategie

Keine Werbung für Ungesundes mehr: Lidl zieht die Reißleine

Der Discounter Lidl will ab dem 1. März 2023 keine Werbung mehr für ungesunde Lebensmittel an Kinder richten und kündigt weitere Maßnahmen für die kommenden Jahre an.

Schokolinsen, Frühstücksflocken, Kinderjoghurt und vieles mehr - ungesunde Lebensmittel für Kinder sind für die Industrie ein Milliardengeschäft. Deswegen wird in diesen Markt sehr viel investiert. Viel zu viel Zucker, Fett und Salz warnen Gesundheits-Experten und fordern seit Jahren einen Stopp, der an Kinder adressierten Marketingstrategien.

Diesen Appellen haben wir uns bereits in der Vergangenheit angeschlossen und mehrfach über die Problematik von zu viel Zucker in der Ernährung von Kindern berichtet. Im vergangenen Sommer fiel REWE mit einem Prospekt auf, der offensiv ungesunde Lebensmittel für Kinder bewarb. Gut, dass sich nun ein prominenter Branchenvertreter vorwagt und das Gegenteil machen will.

Ganz so konsequent dann doch nicht

Der Discounter Lidl kündigte im Januar an, ab dem 1. März 2023 keine auf Kinder abzielende Werbung für ungesunde Lebensmittel mehr zu machen. Ausnahmen soll es allerdings für Aktionsartikel zu Weihnachten, Ostern oder Halloween geben - also etwa für Schokoladen-Weihnachtsmänner oder -Osterhasen. Ganz so konsequent ist man also doch nicht.

Bis 2025 sollen sich auch Verpackungen ändern

„Lidl setzt damit als erster deutscher Lebensmitteleinzelhändler eine entsprechende Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) um“, so der Discounter im O-Ton. Bis Ende 2025 will der Konzern außerdem nur noch solche Lebensmittel in für Kinder attraktiver Verpackung verkaufen, die die WHO-Kriterien für gesunde Nahrung erfüllen. Die Verpackungen würden Schritt für Schritt umgestellt.

Lob von Medizin- und Wissenschaftsbündnis

Der Discounter gehe damit „deutlich über die Selbstverpflichtungen anderer Hersteller und Einzelhändler hinaus“, lobt das Wissenschaftsbündnis Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten. Die Verbraucherorganisation Foodwatch forderte die Wettbewerber des Discounters - unter anderem Aldi, Rewe und Edeka - auf, dem Beispiel zu folgen. „Das ist angesichts grassierender Fehlernährung bei jungen Menschen mit zum Teil tödlichen Folgen ein wichtiger, aber auch längst überfälliger Schritt“, so eine Sprecherin von Foodwatch.

 

Wissenschaftlichen Studien zufolge sind etwa 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland übergewichtig und sechs Prozent sogar stark übergewichtig. Dies kann im späteren Leben zu Krankheiten wie Gelenkproblemen, Bluthochdruck, Herzerkrankungen und Typ-2-Diabetes führen. Pro Jahr gibt es inzwischen 200 Neudiagnosen eines Diabetes Typ 2 bei Kindern zwischen 12 und 17 Jahren in Deutschland.

 

DIA-AID live zu Zuckergefahren

Am 2. März wird die Journalistin und Buchautorin Marianne Falck von ihrem Kampf gegen den viel zu hohen Industriezuckerkonsum in Deutschland in einem DIA-AID live berichten. Hier geht es zur Info und Anmeldung.

 

In vielen Produkten zu viel Zucker, Fett und Salz

„Zahlreiche Produkte mit Kinderoptik zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie reichlich Zucker, Fett und Zusatzstoffe enthalten - und häufig auch deutlich teurer sind“, kritisierte erst kürzlich der Bundesverband der Verbraucherzentralen.

Bisher wenig Fortschritt

Im Jahr 2021 ergab eine Untersuchung von 283 Lebensmittelprodukten führender Markenhersteller durch Foodwatch, dass 85,5 Prozent der gezielt für Kinder beworbenen Produkte gemessen an den WHO-Standards zu viel der ungesunden Bestandteile enthielten. Das Ergebnis sei damit trotz einer Selbstverpflichtung der Industrie zur freiwilligen Zuckerreduktion kaum besser ausgefallen als im Jahr 2015. Und auch seit 2021 seien nur wenige Fortschritte zu sehen, urteilte ein Foodwatch-Sprecher.

Die Ankündigung des Discounters scheint allerdings eine Sogwirkung zu entfalten. Kündigte doch nun Mitbewerber Aldi Süd an, die Rezepturen seiner Kinderprodukte zu prüfen und nach den Gesundheitskriterien der WHO modifizieren zu wollen.