Empowerment mit Dr. Katja Schaaf

Jugendliche mit Diabetes: Je mehr Kontrolle, desto mehr Ablehnung

Erwachsen werden ist an sich schon eine Herausforderung. Das gilt für die Heranwachsenden genauso wie für ihre Eltern. Kommt zusätzlich eine Diabeteserkrankung hinzu, wird alles noch komplizierter. Dr. med. Katja Schaaf riet in einer DIA AID live-Veranstaltung gleichermaßen zu Besonnenheit und Disziplin.

Wenn Kinder die Diagnose Diabetes bekommen, ist ihre Reaktion darauf so individuell wie die Kinder selbst. Die einen akzeptieren mit einer beinahe überraschenden Selbstverständlichkeit die neue Situation – andere reagieren mit Ablehnung, Trotz und Verweigerung. Wobei sich das mit der Zeit auch ändern kann: Vom gewissenhaften Testen zu größer werdender Nachlässigkeit und vom Boykott zum verantwortungsvollen Diabetesmanagement. Für Eltern ist meist nicht einfach, mit diesen Stimmungen und Entwicklungen umzugehen.

Die Diabetologin Dr. med. Katja Schaaf riet in der jüngsten DIA AID live-Veranstaltung „Start ins Leben mit Diabetes – Empower yourself“ zu viel Fingerspitzengefühl – und dazu, häufiger mal die Perspektive der Kinder einzunehmen. Das klingt natürlich zunächst mal naheliegend. Doch was bedeutet es in der Praxis?

„Leider nicht verhandelbar“

Gerade bei älteren Kindern mit beginnender oder fortschreitender Pubertät, die sich gerade sträuben, sorgfältig ihre Werte im Blick zu behalten und entsprechend darauf zu reagieren, empfahl die Jugendmedizinerin mit Coaching-Qualifikation in der Videokonferenz durchaus klare Regeln.

Dabei gebe es für Eltern ein gewisses Dilemma: „Je mehr ihr versucht, eure Kinder zu kontrollieren, desto mehr werden sie versuchen, sich dieser Kontrolle zu entziehen“, so Dr. Schaaf. „Insofern ist es sehr ratsam, sich mit auf die Seite des Kindes zu stellen und auch zu bestätigen, dass das alles tatsächlich nervig und doof ist. Aber man muss auch deutlich machen, dass diese Dinge leider eben nicht verhandelbar sind. Und auch wenn es dann mal Geschrei und Streit gibt: Das muss dann durchgefochten werden.“  Oder anders formuliert und auf den Punkt gebracht: „Im Haushalt sind die Erwachsenen der Boss.“

„Kinder wollen, dass ihre Eltern glücklich sind“

Allerdings, und das ist Dr. Schaaf besonders wichtig, seien Eltern und Kinder auch gemeinsam der Boss – und zwar der Boss über den Diabetes. Denn so sehr die chronische Erkrankung auch in den Alltag eingreife, gelte es doch, sich von ihr nicht den Spaß am Leben vermiesen zu lassen. Doch auch aus dieser Gemeinsamkeit könne ein gewisses Dilemma entstehen: „Wenn Eltern ihre Kinder zu sehr bemitleiden, bemitleiden sich die Kinder selbst ebenfalls“, erklärte Dr. Schaaf.

Und das geht so ähnlich auch andersherum: „Kinder wollen, dass ihre Eltern glücklich sind“, so die Expertin, „und wenn Kinder merken, dass ihre Eltern sich Sorgen machen oder Angst haben, wollen sie unbewusst bestätigen, dass diese Gefühle richtig sind. Da entwickelt sich ein richtiger Teufelskreis.“ Das bedeute selbstverständlich nicht, dass sich Eltern keine Sorgen mehr machen sollten, sondern dass es ratsam sein kann, sich solcher Mechanismen im Umgang mit den Kindern bewusst zu sein.

Letztlich gelte es für Eltern also, einen möglichst entspannten Umgang mit ihren Sprösslingen und deren Diabetes zu finden. Oder wie Dr. Schaaf es formulierte: „Lasst die Kinder ruhig mal machen. Aber redet mit ihnen – und lasst sie nicht allein.“