DIA AID live – Typ-F

Das Schicksal der „Schattenkinder“: „Wir sollten viel mehr nachfragen“

Wird bei einem Kind Diabetes diagnostiziert, wird das Familienleben auf den Kopf gestellt. Fortan dreht sich sehr viel um die Erkrankung und das Leben mit ihr. Das drängt nicht erkrankte Geschwister schnell mal in den Aufmerksamkeits-Schatten. Worauf Eltern deshalb besonders achten sollten, war Thema der letzten DIA AID live-Veranstaltung.

Bisweilen wird erst etwas später deutlich, wie sehr sich sogenannte „Schattenkinder“ – also Geschwister von chronisch erkrankten Kindern – ins Abseits gedrängt fühlen. Da kommt zunächst mal eine Diabetesdiagnose, plötzlich rückt das Krankheitsmanagement mit Blutzuckerwerten, Insulinzufuhr und Ernährung in den Mittelpunkt des Familienlebens. Es richtet sich also zwangsläufig sehr viel Aufmerksamkeit auf das erkrankte Kind. Und das gesunde Kind? Das muss gegebenenfalls plötzlich mit weniger Aufmerksamkeit zurechtkommen. Was macht das mit Heranwachsenden? Gleich mehrfach wurde bei der letzten DIA AID live-Veranstaltung zu eben diesem Thema von Beispielen berichtet, dass „Schattenkinder“, wenn sie teils Jahre später ebenfalls eine Diabetesdiagnose erhielten, mit der eher überraschenden Reaktion aufwarteten: „Endlich hab‘ ich es auch. Jetzt gehöre ich wieder dazu.“

Schuldgefühle bei „Schattenkindern“

Und was können Angehörige da machen? „Wir glauben als Eltern viel zu häufig, dass wir wissen, was unsere Kinder denken“, erklärte Sandra Neumann, Heilpraktikerin und systemischer Coach für Kinder und Jugendliche. „Wir sollten da viel mehr nachfragen – und zwar auch beim gesunden Kind.“ Grundsätzlich sei es nämlich so, dass sich gerade bei Kindern bisweilen Dinge im Kopf festsetzten, die zwar irrational seien, aber allzu häufig unterhalb des Erwachsenen-Radars liefen.

Ein Beispiel seien Schuldgefühle: Da haben sich beispielsweise Geschwister gestritten und sich im Zorn möglicherweise sogar schlimme Dinge gewünscht – und plötzlich widerfährt dem Bruder oder der Schwester mit der Diagnose tatsächlich etwas Schlimmes. Für Kinder könne diese natürlich eigentlich nur zufällige zeitliche Korrelation eine enorme Belastung bedeuten, erklärte Neumann.

Besorgt um sich selbst und die Geschwister

Ein anderer von ihr angesprochener Aspekt waren die Sorgen, die sich „Schattenkinder“ häufig machen. Das betreffe einerseits ihre eigene Gesundheit und die Furcht davor, ebenfalls krank zu werden oder sich womöglich sogar anzustecken – selbst wenn ihnen rein objektiv durchaus bewusst sei, dass es sich um nicht ansteckende Krankheiten handele.

Darüber hinaus seien gesunde Kinder natürlich auch besorgt um ihre erkrankten Geschwister. „Auch Kinder neigen sehr schnell dazu, auf ihre Geschwister aufpassen zu wollen“, erklärte Neumann. Bisweilen wollten sie sogar die Eltern beim Diabetesmanagement unterstützen und helfen, wo es nur geht. Grundsätzlich, so Neumann, sei das eine super Sache und selbstverständlich begrüßenswert – dennoch müsse man aufpassen, dass sich gerade jüngere Kinder dabei nicht selbst überfordern. Und wenn ein Geschwisterkind sich plötzlich nahezu ausschließlich um den erkrankten Bruder oder die erkrankte Schwester kümmere und irgendwann kaum noch andere Kontakte habe, sei das ebenfalls eine problematischen Entwicklung.

Ganz wichtig: Qualitätszeit

Grundsätzlich empfahl Neumann den Eltern, sich trotz all des Stresses, der mit Arbeit, Haushalt und natürlich dem Diabetesmanagement auf sie einprassele, auch mal ganz bewusst und ungestört Zeit für ihre „Schattenkinder“ zu nehmen. Dabei gelte es natürlich, darauf zu achten, dass sich dann das chronisch erkrankte Kind nicht zurückgesetzt fühle. Aber gerade auch die gesunden Kinder bräuchten hin und wieder mal ihre möglichst exklusive Qualitätszeit mir Mama oder Papa, um auch einmal ungeteilte Aufmerksamkeit zu erfahren, ungestört Sorgen ansprechen zu können – schließlich redeten gerade Kinder ja nicht unbedingt gerne über ihre Gefühle, schon gar nicht vor der versammelten Familie – oder sich auch einfach mal nach Strich und Faden über die Situation auszukotzen. Denn das sei – wie bei ihren erkrankten Geschwistern – selbstverständlich ebenfalls erlaubt.

Und noch etwas, da waren sich alle an diesem virtuellen Selbsthilfetreffen beteiligten Personen einig, ist ganz besonders wichtig: So informativ und aufschlussreich die DIA AID live-Videoschalte auch war – so unentbehrlich sind die Treffen bei Offline-Events, also etwa den vielen Typ-F-Veranstaltungen der Diabetiker Niedersachsen.