Menschen mit Typ-1-Diabetes sind von Kindesbeinen an gewohnt, sich um ihre Krankheit zu kümmern. Eine wesentliche Voraussetzung dafür ist eine gute geistige Leistungsfähigkeit. Im Alter ändert sich dies. Das Zubereiten von Mahlzeiten, die Insulindosierung und die Glukosemessung - Dinge die jahrelang selbständig erledigt wurden, gehen dann oft nicht mehr so leicht von der Hand.
Hauptproblem Demenz
Menschen mit Typ-1-Diabetes haben mittlerweile eine fast normale Lebenserwartung und erreichen ein hohes Alter. Deswegen benötigen sie häufiger als früher in ihren letzten Lebensjahren Unterstützung im Umgang mit ihrer Erkrankung. Im Deutschen Ärzteblatt machen die Mediziner Dr. Andrej Zeyfang aus Ostfildern und Dr. Anke Bahrmann aus Heidelberg Vorschläge, wie man dem Umstand gerecht werden kann.

Das geistige Nachlassen bis hin zu Demenz ist eine der Hauptursachen für Probleme mit dem Management von Diabetes. Viele Ältere versuchen dann, Einschränkungen im kognitiven Bereich vor den Mitmenschen zu verbergen und die Fassade zu wahren, berichten die Autoren. Deswegen sollte spätestens nach Demenzdiagnose überlegt werden, ob die Betroffenen das Insulinmanagement noch vollständig selbst durchführen können oder Hilfe benötigen.
Demenz: Risikofaktor Diabetes

Dauerhaft erhöhte Blutzuckerwerte schädigen die kleinen Blutgefäße im Körper – auch die im Gehirn. Dadurch wird die Durchblutung schlechter, und das Gehirn bekommt weniger Sauerstoff und Nährstoffe. Das kann zu Mini-Schlaganfällen führen oder die Nervenzellen langsam schädigen – typisch für eine vaskuläre Demenz.
Insulin ist nicht nur für den Blutzucker wichtig – es spielt auch eine Rolle im Gehirn, z. B. bei der Gedächtnisbildung. Wenn der Körper weniger empfindlich auf Insulin reagiert (Insulinresistenz), kann das auch die Gehirnfunktion beeinträchtigen.
Ein Diabetes führt häufiger zu chronischen Entzündungen im Körper und zu Schäden durch freie Radikale (oxidativer Stress). Beides schadet den Nervenzellen im Gehirn und begünstigt den Abbau kognitiver Fähigkeiten.
Diabetes fördert also Bedingungen im Körper, die das Gehirn schädigen können – direkt und indirekt. Deshalb ist eine gute Blutzuckereinstellung und ein gesunder Lebensstil wichtig, um das Demenzrisiko zu senken.
Umstellung der Insulinversorgung bei Demenz
Wenn Mahlzeiten „vergessen“ werden oder der Appetit generell schwindet, muss das Insulin entsprechend angepasst werden. „Hier haben sehr kurz wirksame beziehungsweise ultrakurz wirksame Insuline einen Vorteil. Bei unsicherer Nahrungsaufnahme kann man diese auch nach der Mahlzeit spritzen, um die benötigte Dosis besser einschätzen zu können und somit Hypoglykämien zu vermeiden“, so die beiden Diabetologen.
Die Injektion von Insulin kann zwar an einen Pflegedienst delegiert werden, das Problem ist jedoch, dass es den Mitarbeitern sehr oft nicht möglich ist, immer zu gleichen Uhrzeit zu kommen. Dazu die Ärzte: „Hier können einfach zu handhabende, altengerechte Pens hilfreich sein, um die Injektion möglichst lange und selbstständig durchzuführen. Sehr beliebt war der Insulinpen in Form einer „Eieruhr“, der aktuell leider nicht mehr auf dem Markt ist. Insulinpens mit Displays mit großer Schrift, Erinnerungsfunktion oder Sprachfunktion sind bei funktionellen Einschränkungen empfehlenswert.“
Und moderne Hilfsmittel?

Etwas vergessen in den Empfehlungen von Dr. Zeyfang und Dr. Bahrmann wird leider, dass mehr und mehr ältere Menschen mit Diabetes Typ 1 bereits moderne Hilfsmittel wie CGM-Geräte und Insulinpumpen nutzen. Auch oft automatisiert als Loop-Systeme.
In diesem Fall bietet es sich an, bei der Wahl eines Pflegedienstes genauer zu schauen, ob dieser vielleicht kompetentes oder fortbildungsbereites Personal vorhält, welches evtl. notwendige Veränderungen der Insulintherapie auch mit den gewohnten Geräten übernimmt. Gerade dann, wenn die Betroffenen kognitiv noch zur Kooperation in der Lage sind und ungern auf traditionelle Therapieformen zurückgesetzt werden möchten. Der Patientenwille sollte hier stets im Mittelpunkt stehen!
Ältere Menschen mit Typ-1-Diabetes benötigten eine enge Begleitung durch informierte Angehörige und ein professionelles Behandlungsteam. Dazu gehörten beispielsweise auch das Angebot, auf eine intensivierte Insulintherapie, aber mit festem Schema und Korrekturtabelle umzustellen oder die Ausstattung mit einem Notrufsystem, um schnelle Hilfe anzufordern.
Wann Angehörige oder ein Pflegedienst die Insulintherapie übernehmen, muss jede Familie für sich entscheiden. Am besten bevor es zu einer ersten schweren Hypo- oder Hyperglykämie gekommen ist.