Interaktive Videokonferenz

Sehbehinderung durch Diabetes: „Thema noch immer sträflich vernachlässigt“

Constanze Paul und Gerd Schwesig vom Blinden- und Sehbehindertenverband Niedersachsen gaben in einer DIA-AID live-Veranstaltung dringende Ratschläge zur Augenmedizin bei einer Diabeteserkrankung – und berichteten eindringlich von eigenen Erfahrungen.

Es ist eine Situation, die man sich eigentlich kaum vorstellen kann: Eine junge Frau sucht aufgrund von spontan eingetretenen Seheinschränkungen eine Augenärztin auf. Nach einer ganzen Weile der Untersuchung drängt die Patientin darauf, nun bald mal zur Arbeit aufbrechen zu müssen. Worauf die Ärztin erwidert: „Ich glaube, Sie können nie wieder zur Arbeit gehen.“
Geschehen ist das Constanze Paul, die ihre Krankheitsgeschichte in einem eindringlichen Vortrag bei der jüngsten DIA-AID live-Veranstaltung „Der Diabetes und das Auge“ schilderte. Gemeinsam mit ihrem Vereinskollegen Gerd Schwesig vom Blinden- und Sehbehindertenverband Niedersachsen (BVN) stand sie im Mittelpunkt der interaktiven Videokonferenz, die den Auftakt einer verstärkten Kooperation der Diabetiker Niedersachsen mit dem BVN darstellt.

Diabetische Retinopathie

Die eingangs geschilderte Szene geht auf ein Martyrium zurück, das mit der Diagnose von Typ-1-Diabetes im Alter von sieben Jahren und einer diabetischen Retinopathie im Alter von 18 Jahren begann. Der besagte Besuch bei der Augenärztin geschah dann im Alter von 28 Jahren. Es folgten jahrelange Behandlungen. Dennoch ist Constanze Paul nur noch ein Bruchteil ihrer Sehfähigkeit geblieben – für den sie dennoch sehr dankbar ist: „Ich kann mir meine Welt schaffen. Und die ist voll und schön.“

Gerd Schwesig riet Diabetikern dringend, den Augenstatus regelmäßig medizinisch begutachten zu lassen. Allzu häufig werde die Praxis zu spät aufgesucht – nämlich erst dann, wenn bereits Probleme am Auge eingetreten seien. Bei einem rechtzeitigen Besuch und einer rechtzeitig aufgenommenen Behandlung könnten Schäden hingegen häufig vermieden und zumindest verringert werden. Eine Gefahr sei, dass die Symptome zunächst gar nicht auffielen, weil das Gehirn leichte Beeinträchtigungen beim Sehen zunächst sehr gut ausgleiche: „Wenn es erst zu Gesichtsfeldeinschränkungen kommt und Dinge, die von rechts oder links auftauchen, nicht mehr so gut wahrgenommen werden oder plötzlich trotz Brille eine veränderte Wahrnehmung eintritt, ist es eigentlich schon zu spät.“

Barrierefreie Insulinpumpe

„Das Thema Diabetes und Sehbehinderung ist noch immer sträflich vernachlässigt – und wir alle müssen viel mehr dafür tun, diesen Zusammenhang viel stärker ins Bewusstsein zu rücken“, betonte Constanze Paul im Anschluss an ihren „Empfindungsbericht“. Dazu, so betonte sie, gehöre unter anderem auch eine möglichst weitreichende Selbstversorgung und Barrierefreiheit – wie etwa geeignete Hilfsmittel zum Beispiel Insulinpumpen, Blutzuckermessgeräte und dazugehörige Apps mit Sprachausgabe: „Bei den jetzt modernen Touchscreens sind wir Blinden und Sehbehinderten komplett außen vor.“