Mit dem sogenannten „Gesundheitsversorgungs-Stärkungsgesetz“ (GVSG) will das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) unter Karl Lauterbach (SPD) die Pauschalen für die hausärztliche Versorgung von Menschen mit chronischen Erkrankungen vereinfachen. Statt vierteljährlicher Zahlung, sollen die Hausärzte nun künftig einmal pro Jahr die sogenannte „Chronikerpauschale“ ausgezahlt bekommen.
Diabetologen außen vor
Klingt erstmal sinnvoll, baut es doch Bürokratie ab und beseitigt es den Druck der Praxen, jedes Quartal Patienten zum Karteneinlesen in die Praxis zu bestellen, die gerade gar keinen Bedarf nach ärztlicher Betreuung haben. Für Menschen mit Diabetes hat die geplante Reform jedoch einen Haken: Die jährliche Pauschale wird dann nur noch den primär versorgenden Hausarztpraxen gezahlt, nicht mehr den sekundär versorgenden.
Dies trifft vor allem niedergelassen Diabetologen, machen die Chroniker-Pauschalen für Diabetes doch ca. 40 Prozent ihres Umsatzes aus. Angemerkt: Diabetologie ist keine anerkannte Facharztrichtung, sondern nur ein Zertifikat, welches Ärzte in einem privatrechtlichen Ausbildungsgang erwerben können. Abrechnungstechnisch sind diese für die Kassen damit so etwas wie ein zweiter, sprich sekundärer, Hausarzt. Der Umsatzverlust durch die Änderung wäre so hoch, dass die Fachgesellschaften der betroffenen Ärzte vor dem künftigen Wegfall der strukturierten Diabetesbehandlung und dem kompletten Zusammenbruch der Disease Management Programme (DMP) für Diabetes warnen.
Weitergehende Informationen zur gesamten Thematik finden sich im diatec.weekly-Newsletter vom 28.06.2024 im letzten Abschnitt.
Was sind DMP?
Disease Management Programme (DMP) sind strukturierte Behandlungsprogramme in Deutschland, die darauf abzielen, die Versorgung von chronisch kranken Patienten zu verbessern. Diese Programme werden von den gesetzlichen Krankenkassen angeboten und sollen durch standardisierte Behandlungspläne und regelmäßige Kontrollen die Lebensqualität der Patienten erhöhen und gleichzeitig die Kosten im Gesundheitssystem senken. Die Teilnahme an einem am DMP erfolgt auf freiwilliger Basis und erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen Patienten, Hausärzten und Fachärzten.
Die DMP für die verschiedenen Diabetes-Typen umfassen u.a. die folgenden Maßnahmen:
- Regelmäßige Untersuchungen und Kontrolltermine: Patienten werden regelmäßig zu Kontrolluntersuchungen eingeladen, um den Krankheitsverlauf zu überwachen und frühzeitig Komplikationen zu erkennen.
- Individuelle Therapieplanung: Basierend auf dem aktuellen Gesundheitszustand wird für jeden Patienten ein individueller Therapieplan erstellt. Dieser Plan umfasst die medikamentöse Behandlung, Ernährungsberatung, Bewegungsempfehlungen und Schulungen zum Selbstmanagement der Krankheit.
- Patientenschulung: Ein wichtiger Bestandteil des DMP ist die Schulung der Patienten. Sie erhalten umfassende Informationen über die Krankheit, den Umgang mit Medikamenten, das Messen des Blutzuckers und die Bedeutung einer gesunden Lebensweise.
- Qualitätssicherung: Die im DMP gesammelten Daten werden zur Qualitätssicherung und zur Weiterentwicklung der Behandlungsmethoden verwendet. Regelmäßige Auswertungen helfen, die Wirksamkeit des Programms zu überprüfen und Verbesserungen vorzunehmen.
Durch diese strukturierte und kontinuierliche Betreuung können Patienten mit Diabetes besser über ihre Krankheit informiert werden, ihren Alltag selbstbestimmter gestalten und die Risiken für Folgeschäden wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Nierenschäden oder diabetische Fußsyndrome minimieren. Das DMP trägt somit maßgeblich zur Verbesserung der Lebensqualität und zur langfristigen Stabilisierung des Gesundheitszustandes der Betroffenen bei. Die Nicht-mehr-Leistbarkeit durch die diabetologischen Schwerpunktpraxen wäre eine Katastrophe für die moderne Diabetes-Therapie in Deutschland.
Patientenverbände: Es braucht Nachbesserungen!
Die führenden Selbsthilfe- und Patientenverbände im Bereich Diabetes haben deshalb einen offenen Brief an alle maßgeblichen Akteure der Bundespolitik im Gesundheitsbereich erarbeitet, in dem sie dem Hilferuf der Diabetologen folgen und entscheidende Nachbesserungen fordern. Auch die Diabetiker Niedersachsen haben sich angeschlossen. Eine Petition für den Erhalt der diabetologischen Versorgung kann hier gezeichnet werden.
Die angemessene fachliche Versorgung von fast 9 Millionen Betroffenen steht auf dem Spiel! Aus Erfahrung wissen wir, dass die Versorgung – vor allem von älteren Menschen mit Diabetes Typ 2 – schon jetzt oft nicht optimal ist. Sie noch schlechter zu machen, wäre ein echter Rückschritt für den medizinischen Standard in unserem Land. Der Gesetzesentwurf muss auch der speziellen ärztlichen Versorgung beim Diabetes Rechnung tragen!