DIA-AID live

Diabetes und Pubertät: Mit dem Nachwuchs mal einen trinken gehen!

Die meisten Heranwachsenden kommen irgendwann ganz unweigerlich in Kontakt mit Alkohol. Das gilt selbstverständlich auch für Jugendliche mit Diabetes. Vom Kinderdiabetologen Semik Khodaverdi ließen wir uns erklären, worauf Eltern dabei achten sollten.


Reizbar, vergesslich, verwirrt: Das Leben von und das Zusammenleben mit Teenagern ist mitunter ganz schön herausfordernd. Allerdings gelte es zu akzeptieren, dass deren mitunter zerstreutes Wesen keine Absicht sei, betonte Semik Khodaverdi bei einer DIA-AID-live-Veranstaltung. Der leitende Oberarzt der Kinderklinik und Leiter des Diabeteszentrums DDG am Klinikum Hanau erklärte, dass es sich dabei vielmehr um eine natürliche Folge der in diesem Alter stattfindenden Umstrukturierung des Gehirns handele.

Die Jugendlichen nähmen also praktisch auf der Straße zum Erwachsenwerden noch mal kurz den Umweg einer Art Dichotomie aus Hitzköpfigkeit und Gedankenverlorenheit. Kompliziert genug. Noch komplizierter wird das Ganze natürlich, wenn auch noch ein Diabetes mit ins Spiel kommt. Und wenn dann auch noch Partys und mit ihnen diverse alkoholische Getränke auf der Bildfläche erscheinen, wird es noch ein wenig kniffliger.

Bei Alkohol und Diabetes auf Besonderheiten achten

Semik Khodaverdi ist in diesem Fall kein Freund von generellen Verboten. Allerdings gelte es beim Alkoholkonsum von Heranwachsenden mit Diabetes auf verschiedene Besonderheiten zu achten. Ein ganz zentraler Punkt, den man dabei im Hinterkopf haben müsse, sei die Tatsache, dass die Leber unter anderem auch ein Zuckerlager für den Körper darstelle. „Junge Erwachsende haben bis zu 100 Gramm Stärke in der Leber gespeichert“, so der Mediziner. „Das ist auch der Grund, warum Menschen ohne Diabetes selten unterzuckern.“ Es gebe nun aber zwei Stoffe, die die Zuckerfreisetzung aus der Leber stoppten: Zum einen sei das Insulin – und zum anderen Alkohol.

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Und da wir nun schon bei allerlei komplizierten Gemengelagen waren, kommt auch hier noch ein Umstand dazu, die die Angelegenheit zusätzlich schwierig macht: „Die zuckersenkende Wirkung des Alkohols tritt sehr, sehr verzögert ein“, so Semik. Konkret bedeutet das, dass gerade in der Nacht nach einer Party die Gefahr einer kritischen Unterzuckerung drohe. Man könne also nach dem Alkoholkonsum gegen 2 Uhr mit einem Wert von 120 mg/dl ins Bett gehen, habe dann um 4 oder 5 Uhr nur noch einen Wert von 60 oder 50 mg/dl – und befinde sich drei weitere Stunden später in der schweren Hypoglykämie. Insgesamt gelte es zu beachten, dass der Blutzuckerwert auch 12 Stunden nach dem letzten Bier noch sinken könne.

Chips und Erdnussflips können helfen

Was also tun? Der Mediziner riet unter anderem, während des Alkoholgenusses langsam wirkende Kohlenhydrate zu konsumieren. Als praktische und bei Partys häufig ohnehin zur Verfügung stehende Variante kämen hier Chips oder Erdnussflips in Frage. „Die sind natürlich eigentlich ungesund“, erklärt der Oberarzt, „aber in diesem Fall sind sie perfekt geeignet. Sie bestehen nämlich nicht nur aus Kohlenhydraten, sondern auch aus Fetten und Eiweiß. Und das sorgt dafür, dass Alkohol langsamer ins Blut aufgenommen wird.“

Ein weiterer Tipp betraf die Peergroup der Teenager. Da sei es wichtig, den Freundeskreis in Sachen Diabetes einzuweihen. So sei es möglich, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass bestimmte Ausfallerscheinungen eventuell nicht nur daher rührten, dass möglicherweise das eine oder andere Glas zu viel getrunken wurde, sondern dass es sich auch um eine gefährliche Unterzuckerung handeln könne.

Gemeinsame Alkoholerfahrung mit den Eltern

„Und was ich noch dringend empfehle“, betonte Semik zum Schluss hin, „ist, dass Eltern die Ersterfahrungen von Alkohol trinkenden Jugendlichen teilen.“ Mit anderen Worten: Eltern sollten mit dem Nachwuchs durchaus mal gemeinsam ein Bier trinken – und dann zusammen den Blutzucker im Auge behalten. So ließen sich einerseits gemeinsam Erkenntnisse gewinnen. Und andererseits sei dann auch die Hemmschwelle der Jugendlichen niedriger, ihre Eltern von vornherein einzuweihen, wenn sie mal feiern gingen.