Neuropathische Schmerzen bei Menschen mit Diabetes sind ein oft unterschätztes Problem. Je nach Definition ist jeder siebte bis vierte Diabetiker davon betroffen. Typisch sind Schmerzen, Kribbeln, Taubheitsgefühle und eine starke Schmerzempfindlichkeit auf kleinste Reize. Die Symptome wirken sich typischerweise von den Zehen und Füßen in die Beine aus. Erkrankte schildern den Schmerz als brennend, bohrend, krampfartig oder stechend. Nachts sind die Schmerzen oft schlimmer und bessern sich tagsüber beim Gehen.
Medikamente oft nicht wirksam genug
Eine Therapie mit Medikamenten bringt für viele Schmerzgeplagte leider keinen spürbaren Nutzen. Ärzte verschreiben dazu Medikamente gegen Epilepsie wie Gabapentin oder Pregabalin, andere teils schwere Schmerzmittel oder ein Antidepressivum. Viele setzen diese Medikamente jedoch wieder ab. Zum einen wegen fehlender Wirksamkeit, zum anderen wegen auftretender Nebenwirkungen. Ziel dieser Behandlung ist neben einer Schmerzlinderung, eine Verbesserung des Schlafs und damit der gesamten Lebensqualität.
Rückenmarkstimulation als neue Behandlungsoption
Als Alternative zu Tabletten wird seit einiger Zeit die Rückenmarkstimulation gegen chronische Schmerzen getestet. Voraussetzung ist immer, dass herkömmliche medikamentöse Therapien nicht geholfen haben. Besonders gut wirkt eine Hochfrequenzstimulation mit 10 kHz. Damit werden schmerzhemmende Neurone im Rückenmark angesprochen.
Dieses Verfahren wurde im Jahr 2021 in einer größeren Studie an 216 Erwachsenen mit Diabetes getestet. Das Durchschnittsalter lag bei 61 Jahren, 97 Prozent hatten Typ-2-Diabetes. Alle Teilnehmer mussten schon erfolglos eine Behandlung mit Gabapentin oder Pregabalin und eines anderen Schmerzmittels hinter sich haben. Auf einer 10-Punkte-Analogskala sollte die Schmerzstärke in betroffenen Beinen mindestens 5 Punkte, in den Armen mindestens 3 Punkte betragen.
Was ist eine Polyneuropathie?
Bei einer Polyneuropathie sind die peripheren Nerven geschädigt. Betroffen können beispielsweise Nerven in den Armen oder Beinen sein, aber auch die Nerven, welche die inneren Organe versorgen. Diabetes ist eine häufige Ursache dieser Nervenschädigung. Dabei kommt es zu Kribbeln, Taubheitsgefühlen, Krämpfen oder Lähmungserscheinungen der Muskeln und Schmerzen in Armen und Beinen. Vorbeugend ist eine möglichst gute Einstellung der Blutzuckerwerte wichtig. Ein normales Körpergewicht, ausreichend Bewegung, nicht rauchen und wenig Alkohol trinken sind weitere vorbeugende Maßnahmen. Trotzdem entwickeln viele Menschen mit Diabetes diese Nervenschmerzen, von denen Menschen mit Typ-1- und Typ-2-Diabetes betroffen sind.
Acht von zehn Teilnehmern hatten deutlich weniger Schmerzen
Alle Teilnehmer erhielten während der Studienphase Medikamente und Physiotherapie gegen Schmerzen. Die Hälfte von ihnen bekam zusätzlich eine Stimulation über 10 Mikrosekunden dauernde Impulse.
Sechs Monate nach Beginn der Behandlung gaben 80 Prozent der stimulierten Teilnehmer eine Reduzierung der Schmerzen um mindestens 50 Prozent an. In der Kontrollgruppe ohne Stimulierung lag dieser Anteil bei lediglich fünf Prozent, was zeigt, dass die Rückenmarkstimulation einen erheblichen Nutzen hat. Dies spiegelt sich auch in der von den Teilnehmern angegebenen deutlich besseren Lebensqualität wider.
Verfahren 2021 von der DDG als neue Behandlungsoption aufgenommen
Bevor dauerhaft ein Impulsgenerator implantiert wird, wird das Verfahren bei den Betroffenen mit Polyneuropathie zunächst mit einem externen Stimulator getestet. Bei Ansprechen erfolgt die Implantation des dauerhaften, wiederaufladbaren Impulsgenerators im Rücken- oder Gesäßbereich.
Aufgrund dieser positiven Daten wurde die Rückenmarkstimulation im Jahr 2021 in der Praxisempfehlung der Deutschen Diabetes Gesellschaft zur Behandlung der diabetischen Neuropathie als neue Behandlungsoption mit aufgenommen.