Interview mit Herzchirug Dr. med. Felix Fleißner

Im Zweifelsfall Bypass

Menschen mit Diabetes vom Typ 2 leiden überdurchschnittlich häufig unter verengten Herzkranzgefäßen. Sehr häufig implantieren Ärzte dann Stents, obwohl die Leitlinien eine Bypass-Operation empfehlen. Im Interview erläutert Dr. med. Felix Fleißner, warum dies aus seiner Sicht auch oft die bessere Option ist.

 

Eine koronare Herzkrankheit entsteht durch verengte Herzkranzgefäße. Die Verengungen entstehen durch Fett- und Kalkablagerungen an den Innenwänden der Gefäße. Fachleute sprechen hier von Plaques. Das Herz bekommt dann nicht mehr ausreichend Sauerstoff. Es kann zu Beschwerden kommen, wie etwa einem Engegefühl in der Brust oder Luftnot. Langfristig wird das Herz geschädigt. Herzinfarkt, Herzschwäche, Herzrhythmus-Störungen und plötzlicher Herztod sind mögliche Folgen einer koronaren Herzkrankheit.

„Bypass-Operation ist für viele die bessere Therapie als ein Stent“

Menschen mit Typ-2-Diabetes leiden besonders oft unter verengten Herzkranzgefäßen. Es gibt dann zwei Behandlungsoptionen, zum einen die Implantation eines Stents, bei dem die Engstelle geweitet wird und zum anderen die deutlich aufwändigere Bypass-Operation, bei der man mit körpereigenen Arterien neue Bahnen zum Herzen legt. Bypass-Operationen sind in den meisten Fällen der sicherere Weg. Trotzdem werden in Deutschland entgegen der Empfehlung in den Leitlinien, sehr viele Stents gesetzt. Diabetiker Niedersachsen sprach dazu mit dem Herzchirurgen Dr. med. Felix Fleißner von der Medizinischen Hochschule Hannover.

Herr Dr. Fleißner, was sagen die Leitlinien zum Thema Stent oder Bypass?

Die Entscheidung zwischen einer Gefäßerweiterung mittels Stent oder dem Verlegen eines Bypasses wird anhand des Syntax-Scores entschieden. Bei diesem Programm wird der Schweregrad einer Gefäßerkrankung ermittelt. Berücksichtig wird dabei unter anderem, ob eines, zwei oder alle drei Gefäße betroffen sind, die zum Herzen führen, aber auch wie stark der Grad der Verengung ist und wie viele Engstellen vorliegen. Normalerweise sagen die Leitlinien, dass ab einem Score von 22 einer oder mehrere Bypässe gelegt werden sollten. Bei einem niedrigeren Wert kommen sowohl Stents als auch Bypässe in Frage.

 

So wird ein Stent implantiert

Hier wird eine dünne Sonde über einen Einstich in der Leiste oder am Handgelenk ins Herz geführt. Das verengte Gefäß wird mit einem Ballon geweitet und der Stent, ein Röhrchen aus Drahtgeflecht, wird eingesetzt. Der Behandelte hat bis auf die Einstichstelle keine Wunde, die verheilen muss und ist praktisch sofort beschwerdefrei. Bereits nach wenigen Tagen könnten die meisten ihren Alltag wieder aufnehmen. Kehrseite dieses Eingriffs ist die hohe Rückfallrate. Bei rund jedem Dritten hält die Aufdehnung nur einige Monate vor oder das Gefäß verstopft an anderer Stelle.

 

Wie ist die Situation bei Menschen mit Diabetes?

Bei Menschen mit Diabetes sind schon bei niedrigeren Werten Bypässe sinnvoll. Diabetiker profitieren noch deutlich mehr von Bypässen als andere Patienten. Das zeigen zahlreiche Studien und das empfehlen auch die Leitlinien. Haben Diabetiker eine koronare Herzkrankheit, tritt die nämlich häufig an verschiedenen Stellen auf. Sehr oft sind dann alle drei Gefäße betroffen, die zum Herzen führen und die Engstellen sind dann auch überdurchschnittlich stark verkalkt. Leider scheuen gerade viele Menschen mit Diabetes aus Angst vor Wundheilungsstörungen operative Eingriffe.

Ist es richtig, dass häufig während der Untersuchung im Krankenhaus der Gefäße der Stent sofort gesetzt wird?

Der Patient kommt auf Überweisung des Hausarztes mit Beschwerden in die Klinik oder zu seinem betreuenden Kardiologen. Der Arzt entscheidet dann während der Untersuchung, ob er einen Stent setzt oder ob er den Patienten weiter an eine Abteilung für Herzchirurgie überweist. Prinzipiell wird die Entscheidung, ob ein Stent gesetzt wird oder aber ein operativer Eingriff erfolgen sollte, vom sogenannten Herz-Team getroffen. Hier entscheiden Kardiologen, Chirurgen und Anästhesisten gemeinsam, welche die beste Therapie für den jeweiligen Patienten ist. Erhält ein Patient einen Stent, dann kann er nach zwei oder drei Tagen das Krankenhaus verlassen. Das Problem ist aber, dass er häufig weitere Stents braucht, weil neue Engstellen neben den Stents auftreten.

Wie läuft das Setzen eines Bypasses ab?

Viele Patienten profitieren deutlich von einem Bypass und haben eine höhere Lebenserwartung. Der Eingriff ist aber kein Spaziergang, meistens muss das Brustbein aufgeschnitten werden und an den Armen oder Beinen Gefäße entnommen werden, die dann ans Herz verlegt werden. Der Operierte ist dann einen Tag auf der Intensivstation und muss danach noch ein bis zwei Wochen auf Station bleiben, bevor er zur Reha kann.

 

So wird ein Bypass gelegt

Nach Eröffnung des Brustbeins werden durch eine Operation am offenen Herzen verengte Blutgefäße überbrückt. Dazu werden körpereigene Arterien aus Armen oder Beinen an das Herz verlegt. Es werden also neue Zugänge zum Herzen gelegt. Oft kommt dabei eine Herz-Lungen-Maschine zum Einsatz. Je nach der Lokalisierung ist manchmal auch ein minimalinvasiver Eingriff möglich, bei der das Brustbein nicht geöffnet werden muss.
Bis zur vollständigen Heilung, die auch eine Rehabilitation beinhaltet vergehen mehrere Wochen. Im Vergleich zu einem Stent, ist das Legen eines Bypasses deutlich aufwändiger, bietet aber einen deutlich besseren Schutz vor einem Herzinfarkt.

 

Was raten Sie einem Patienten, der sich nicht sicher ist, ob er einen Stent oder einen Bypass möchte?

Am besten ist es, man informiert sich schon bevor man ins Krankenhaus geht über die koronare Herzerkrankung und die Behandlungsmöglichkeiten. Wenn man sich unsicher ist und kein akuter Herzinfarkt vorliegt, dann ist es durchaus sinnvoll, sich eine Zweitmeinung einzuholen und nach der Diagnose erst mal wieder nach Hause gehen und an anderer Stelle nachzufragen, ob ein Bypass nicht die bessere Möglichkeit wäre.

In Deutschland werden im internationalen Vergleich sehr viele Stents gesetzt. Woran liegt das?

Es gibt in hierzulande viele Kardiologen, die die Herzgefäße untersuchen und die Stents setzen können. Die Diagnostik alleine ist aber nicht gut bezahlt. Das könnte eine Rolle spielen. Mein Wunsch wäre, dass man ganz objektiv untersucht, welcher der beiden Eingriffe für den einzelnen Patienten am besten wäre. Bei uns in Hannover haben wir Herzteams mit Kardiologen, Chirurgen und Anästhesisten. Da wird dann in Konferenzen besprochen, welche Behandlung für welchen Patienten der richtige Weg ist. Es ist nicht so, dass jeder Diabetiker, bei dem alle drei Gefäße betroffen sind, unbedingt einen Bypass braucht. Hier spielen auch Nebenerkrankungen und das Alter eine Rolle. Manchmal ist die Angst des Patienten so groß vor einer Herzoperation, dass man sich gelegentlich gegen die Leitlinien entscheidet und einen Stent setzt. Die Psyche spielt ja auch eine große Rolle im Heilungsprozess. Das Ziel ist, Herzinfarkte und Schlaganfälle und einen frühzeitigen Tod zu vermeiden. Das sollte immer im Vordergrund stehen. Gerade jüngere Patienten unter oder um die 50 Jahren haben nach einer Bypass-Operation eine Sterblichkeit von null Prozent. Der Eingriff ist also extrem sicher, aber kein Spaziergang.

Kommen Sie mit Dr. Fleißner ins Gespräch

Am 20. Mai steht Ihnen Dr. med. Felix Fleißner in einer DIA-AID live-Konferenz für Fragen zur Verfügung. Hier gibt es weitere Informationen und die Möglichkeit zur Anmeldung.