Zu teuer durch Abwasserrichtlinie

Droht Metformin das Aus?

Arzneimittelhersteller denken darüber nach, das Diabetes-Medikament Metformin vom Markt zu nehmen. Grund dafür ist eine neue Abwasserrichtlinie. Die damit verbunden Mehrkosten wären in Kombination mit der niedrigen Gewinnspanne für das Medikament nicht mehr lohnend, so die Industrie.


2,9 Millionen Menschen in Deutschland nehmen Metformin ein. Das Medikament ist damit das wichtigste Präparat zur Behandlung von Diabetes Typ 2. Kaum ein Patient startet nicht mit Metformin. Der Wirkstoff senkt den Blutzucker, senkt die Gefahr von Herz-Kreislauf-Erkrankungen – und ist spottbillig. Eine Packung für drei Monate ist für rund 5 Euro erhältlich. Und genau der Preis könnte dem häufig verschriebenen Medikament jetzt zum Verhängnis werden.

Zuviel Rückstände im Abwasser

Auslöser ist – wie unter anderem die Frankfurter Allgemeine Zeitung und das Der Spiegel berichten - eine neue EU-Abwasserrichtlinie. Die Abwasserrichtlinie ist im Januar in Kraft getreten und sieht eine vierte Reinigungsstufe für Klärwerke vor. Damit sollen Mikroschadstoffe aus dem Wasser gefiltert werden. Zu diesen zählen auch Arzneimittelrückstände von Antibiotika, Krebsmedikamenten, Hormonen oder Diabetesmedikamenten wie Metformin, die durch menschliche Ausscheidungen ins Abwasser gelangen. An diesen Kosten soll sich die Pharmaindustrie beteiligen. 

Im Detail: Die neue Abwasserrichtlinie


Die im Januar 2025 in Kraft getretene EU-Abwasserrichtlinie verpflichtet Hersteller von Humanarzneimitteln und Kosmetika, mindestens 80 % der Kosten für den Ausbau kommunaler Kläranlagen um eine vierte Reinigungsstufe zur Entfernung von Mikroschadstoffen zu tragen.

Die geschätzten Gesamtkosten für den Ausbau der Kläranlagen in Deutschland belaufen sich auf etwa 10 Milliarden Euro, mit zusätzlichen jährlichen Betriebskosten von rund einer Milliarde Euro. Angesichts eines jährlichen Nettoumsatzes von etwa 2,4 Milliarden Euro für rezeptpflichtige Generika in Apotheken stellt dies eine erhebliche finanzielle Belastung für die Hersteller dar. Der Verband Pro Generika prognostiziert tatsächlich, dass die Produktionskosten für Metformin um bis zu 446 % steigen könnten. 

Mehrere Pharmaunternehmen haben deshalb Klage beim Europäischen Gerichtshof eingereicht. Sie argumentieren, dass die einseitige Kostenbelastung gegen das Verursacherprinzip und die Gleichbehandlung verstoße. 

Die Richtlinie enthält allerdings bereits etliche Ausnahme-Möglichkeiten für die einzelnen Unions-Mitglieder, um z.B. Medikamentengpässen durch Kostenexplosionen vorzubeugen. Es bleibt abzuwarten, ob diese bei einem bedeutenden Medikament wie Metformin nicht ohnehin zum Tragen kommen.

„Wenn sich nichts ändert, werden wir Metformin vom Markt nehmen müssen.“

Dies würde laut der Hersteller für so kostengünstige Medikamente wie Metformin eine drastische Steigerung der Ausgaben bedeuten. Die Marktführer Zentiva und Sandoz drohen jetzt damit, das Präparat vom Markt zu nehmen. „Kein Hersteller wird eine Vervierfachung der Kosten von Metformin stemmen können, ohne die Kosten weitergeben zu können. Wenn das wirklich so kommt und sich nichts ändert, werden wir Metformin vom Markt nehmen müssen“, so Josip Mestrovic, Deutschland-Chef von Zentiva. Die Mehrkosten können die Hersteller nicht an die Verbraucher weitergeben, da Arzneimittelpreise in Deutschland gesetzlich festgelegt sind.

Alternativen deutlich teurer

Das Ende von Metformin hätte weitreichende Folgen. Alternative Diabetes-Medikamente wären deutlich teurer und mit teilweise deutlich höheren Nebenwirkungen behaftet. Zudem könnten einige dieser Medikamente nicht mehr geschluckt, sondern müssten gespritzt werden. Metformin ist nicht das einzige Medikament, das vor dem Aus steht. Auch andere kostengünstige generisch produzierte Medikamente wie das Antibiotikum Amoxicillin, das Brustkrebsmedikament Tamoxifen und das Schmerzmittel Metamizol sind in Gefahr.