Künstliche Intelligenz registriert Fahrverhalten

Software im Auto warnt zuverlässig vor Unterzucker

Eine auf maschinellem Lernen basierende Software erkennt Phasen von zu niedrigen Blutzuckerwerten im Fahrzeug allein anhand von Daten zum Fahrverhalten und den Kopf- und Blickbewegungen.


Hypoglykämien, also zu niedrige Blutzuckerwerte am Steuer beeinträchtigen die Konzentrations- und Reaktionsfähigkeit. Auch Schwindel, Sehstörungen bis hin zur Ohnmacht können auftreten. Im Straßenverkehr eine gefährliche Situation, die für Menschen mit Diabetes eine große Herausforderung darstellt. Gerade weil sich der Autofahrer auf den Verkehr konzentriert, werden oftmals die ersten Anzeichen von zu niedrigen Blutzuckerwerten übersehen. Damit erhöht sich das Unfallrisiko.

Menschen mit Diabetes wird empfohlen, vor jeder Autofahrt dem Blutzucker zu überprüfen. Trotzdem können während der Fahrt plötzliche Hypoglykämien auftreten. Kontinuierliche Glukosemesssysteme (CGM-Systeme) sind hier zwar eine Hilfe. Allerdings hinken die im Unterhautfettgewebe gemessenen Werte den aktuellen Blutzuckerwerten bis zu zwanzig Minuten hinten nach. Das kann gefährlich werden.

Unterzuckerung am Fahrverhalten und Blickrichtung erkannt

Eine aktuelle Studie aus der Schweiz und Deutschland zeigt, dass eine neue, auf maschinellem Lernen basierende Software vor Unterzuckerung den Autofahrer warnen kann. Forscher haben dazu eine neue Software entwickelt, die Unterzuckerungen anhand von während einer Autofahrt automatisch erfassten Fahr- und Blickdaten, erfasst. Die Forschenden nutzen hierfür Daten von bereits im Auto vorhandenen Sensoren und Kameras, wie zum Beispiel Lenkbewegungen, Bremsverhalten oder Kopfhaltung.

Die Software wurde unter realen Bedingungen an 30 Erwachsenen mit Typ-1-Diabetes getestet. Alle fuhren mehrmals eine definierte Strecke. Während der Fahrt erhielten die Teilnehmer über einen Venenkatheter im Unterarm Insulin, um während des Fahrens entweder in eine leichte Unterzuckerung oder in eine starke Unterzuckerung versetzt zu werden. Aus Sicherheitsgründen wurden sie von einem Fahrlehrer begleitet.

Alle Probanden trugen CGM-Systeme. Parallel dazu wurden die Zuckerwerte auch regelmäßig über den Venenzugang gemessen. Fahr- und Blickdaten werden durch einen Computer im Kofferraum aufgezeichnet. Insgesamt wurden rund 48.000 Messpunkte gesammelt. Die Autofahrer selber kannten aber während der gesamten Fahrt ihre eigenen Blutzuckerwerte nicht.

Gefahr wird häufig unterschätzt

Anhand der Daten trainierten die Wissenschaftler ihre Software darauf, Veränderungen im Fahr- und Blickverhalten zu erkennen, die auf eine Unterzuckerung hinweisen könnte. Das Ergebnis: Wurden sowohl die Fahr- wie auch die Blickdaten in die Software berücksichtigt, konnte die künstliche Intelligenz eine Unterzuckerung mit einer 80-prozentiger Sicherheit erkennen.

Diese Software trägt damit zur Verkehrssicherheit bei, indem sie die Fahrer mithilfe einer Sprachnachricht oder eines akustischen Signals warnt. Prof. Dr. med. Christoph Stettler, Mitautor der Studie und Diabetologe aus Bern: „Wie bereits in anderen Untersuchungen gezeigt wurde, unterschätzten die Studienteilnehmenden das Ausmaß ihrer Unterzuckerung erheblich. Rund 40 Prozent davon wären trotz Unterzuckerung ohne etwas dagegen zu unternehmen weitergefahren.“