Informieren, testen, ausprobieren

Probieren geht über Studieren: DIA-AID [connect] in Duderstadt

Vier Fachvorträge, vier Workshops und ein vielseitiger Markt der Möglichkeiten: Im Rahmen des großen Bildungswochenendes der Diabetiker Niedersachsen auf dem Pferdeberg bei Duderstadt luden wir zu unserem DIA-AID [connect] auch Tagesgäste ein. Eine gute Gelegenheit, sich über aktuelle Entwicklungen des Diabetesmanagements zu informieren.


Gleich elf Aussteller stellten auf dem Markt der Möglichkeiten ihr Angebot vor. Und dabei zeigte sich einmal mehr: Probieren geht über Studieren und nichts geht über persönlichen Austausch. Denn auch in Zeiten, in denen das Internet praktisch unbegrenzte Informationsmöglichkeiten bietet, kann doch nichts die Möglichkeit ersetzen, einen Sensor oder eine (Patch-)Pumpe mal zur Probe zu tragen oder sich im individuellen Gespräch über die Möglichkeiten einer Begleitung für KiTa oder Schule zu unterhalten.

Neue Produkte & Hilfestellung

In vier Workshops informierten sich die Teilnehmenden zusätzlich über neue Technik-Trends. Auf sehr viel Aufmerksamkeit stieß hier ein neues System von Medtronic, welches einen smarten Insulin-Pen, einen CGM-Sensor (es handelt sich um den neuen „Simplera“) und eine Smartphone-App zu einer Art „AID-System light“ verbindet und so ganz neue Möglichkeiten der Pentherapie eröffnet: Indem das System die Insulin- und Blutzuckerwerte erfasst, kann es individuelle Dosierungsempfehlungen abgeben. Kurz: Es läuft zwar nichts automatisch wie bei einem vollwertigen AID-System – dennoch dürfte es für viele Anwenderinnen und Anwender eine sehr praktische Alternative darstellen.

In den weiteren Workshops wurden bisweilen dann auch sehr hintergründige Fragen gestellt und eher weniger alltägliche Details besprochen. Im Fall der Omnipod-5-Patchpumpe ging es beispielsweise um den Abgleich der Zeitzone. Diese wird von der Pumpe bzw. dem Steuergerät automatisch erkannt, damit bei einem Aufenthalt in einer Region mit großem Zeitunterschied zu Mitteleuropa „die Basalrate nicht verrutscht“, wie Insulet-Mitarbeiterin Nadine Handke erklärte. Allerdings: Die Pumpe bittet auch um eine Zeitzonen-Bestätigung, wenn man ins europäische Ausland verreist – selbst wenn man dabei de facto in der gleichen Zeitzone bleibt. Diese Bestätigung muss gegeben werden, sonst wird man dauerhaft daran erinnert – was nerven kann (und auch soll!).

Die vier Fachvorträge wurden live via YouTube übertragen und lassen sich dort auch im Nachgang an die Veranstaltung noch ansehen:

Dr. med. Sandra Schlüter

„Kurveninterpretation leicht gemacht“


Dr. Sandra Schlüter verwies in ihrem Vortrag auf eine aufschlussreiche Statistik. Diese besage: Wenn sich Menschen mit Diabetes mindestens alle 14 Tage noch einmal rückblickend mit ihren Blutzuckerverläufen auseinandersetzten und diese für sich analysierten, würde das im Ergebnis zu insgesamt besseren Werten führen. Aber wie entschlüsselt man diese „Spaghettikurven“? Was sagt einem dieses oder jene Balken- oder Tortendiagramm? Dr. Sandra Schlüter vermochte es, dieses doch eher technische Thema auf ihre mitreißende Art gleichermaßen präzise und informativ wie auch unterhaltsam zu erläutern.


Dr. med. Sandra Schlüter ist Leiterin einer Diabetes-Schwerpunktpraxis in Northeim, gehört zum Vorstand der Arbeitsgemeinschaft Diabetes und Technologie und ist Vorsitzende des Verbandes der niedergelassenen Diabetologen Niedersachsens.

Dr. med. Katja Schaaf

„Locker durch die Kurve“


Nachdem Dr. Sandra Schlüter sich der Interpretation der Kurven gewidmet hatte, ging Dr. Katja Schaaf der Frage nach, ob die Verfügbarkeit dieser Daten eigentlich mehr Sicherheit gebe – oder aber, gerade wenn die Werte mal nicht so gut seien, eventuell sogar verunsichern könne. Die Antwort: Ein wenig natürlich von beidem! Dr. Katja Schaaf plädiert in jedem Fall für mehr Gelassenheit. Es gehe nicht darum, für den Diabetes (und damit für möglichst immer perfekte Werte) zu leben, sondern mit dem Diabetes (und so mit maximaler Lebensqualität). Dazu gehöre, sich gerade auch im Umgang mit Kindern und Jugendlichen nicht zu sehr über schlechte Werte zu ärgern – sondern sich eher zu fragen: „Was kann ich für die Zukunft daraus lernen?“


Dr. med. Katja Schaaf ist Fachärztin für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, Diabetologin (DDG), Endokrinologin und Buchautorin.

Dr. med. Louisa van den Boom

„Ernährung bei Diabetes Typ 1 – Was ist erlaubt, was verboten?“


Rund um den Diabetes halten sich hartnäckig Vorurteile in Sachen Ernährung. Kuchen ab jetzt nur noch ohne Zucker? Ist eine spezielle Diät nötig? Klare Antwort von Dr. med. Louisa van den Boom in ihrem unterhaltsamen Vortrag: Nein, nichts da! Alles ist erlaubt, nichts ist verboten! Allerdings komme es natürlich auf die Menge an. Und auf die Zusammensetzung der Nahrung, also auf den Anteil an Kohlenhydraten, Fetten, Eiweißen und Ballaststoffen. Grundsätzlich würden sich die Ernährungs-Empfehlungen nicht von denen für stoffwechselgesunde Kinder und Jugendliche unterscheiden. Oder anders formuliert: „Kinder mit Diabetes sind gesunde Kinder mit einem Insulinmangel. Und sonst nichts!“


Dr. med. Louisa van den Boom, Chefärztin, Fachärztin für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, Schwerpunkt Diabetologie, Diabetologin (DGG).

Rechtsanwältin Lisa Völpel-Klaes

„KiTa- und Schulbegleitung – was steht mir zu, wie setze ich es durch?“


Lisa Völpel-Klaes vertritt deutschlandweit Familien, die eine KiTa- oder Schulbegleitperson für ihren Nachwuchs benötigen und die entsprechende Finanzierung durchsetzen müssen. Eine drängende Frage diesbezüglich: „Was für eine Verordnung wird dafür überhaupt gebraucht?“ Das wüssten selbst die Gerichte aktuell meist nicht, so die Expertin. Am 31.10.2023 habe der Richtliniengeber entschieden, dass spezielle Krankenbeobachtung aus der HKP (Häusliche Krankenpflege) herausgefallen sei. Daraufhin hätten die Krankenkassen dann zur Einreichung von Anträgen zur AKI (Außerklinische Intensivpflege) aufgefordert – und diese rundheraus abgelehnt. Lisa Völpel-Klaes riet in ihrem Vortrag dennoch, AKI-Anträge zu stellen. Und dann zur Not den Klageweg zu bestreiten.


Rechtsanwältin Lisa Voelpel-Klaes ist Expertin zur Rechtslage bei KiTa- und Schulbegleitungen für Kinder mit Diabetes.