Keine Frage: Der Input, den der 41 Jahre alte Apotheker Kai Girwert beim jüngsten DIA-AID live lieferte, war gewaltig. Der Filialleiter der „City Apotheke“ in Langenhagen unternahm einen regelrechten Parforceritt durch die aktuellen Entwicklungen des Apothekenwesens – und sparte dabei auch unerfreuliche Begebenheiten nicht aus.
Unter anderem gebe es einen eklatanten Rückgang der Vor-Ort-Apotheken zu beklagen: 2008 habe es deutschlandweit noch mehr als 21.000 Apotheken gegeben – derzeit seien es gerade noch 17.830. Allein in den ersten sechs Monaten des Jahres 2023 hätten insgesamt 238 Apotheken geschlossen, was den stärksten Halbjahresrückgang seit dem Aufzeichnungsbeginn 1952 bedeute. Die Gründe dafür seien vielfältig und reichten von höheren Betriebs- und Personalkosten über fehlende Fachkräfte bis zum Nachwuchsmangel. „Es ist immer schwieriger eine Apotheke wirtschaftlich zu betreiben“, so Kai Girwert. Andere Unternehmen könnten auf steigende Kosten mit höheren Preisen reagieren. Das sei bei Apotheken, wenn überhaupt, nur bedingt der Fall, da ihre Vergütung zu rund 80 Prozent auf einheitlichen Abgabepreisen und – seit Jahren nicht erhöhten – Honoraren für verschreibungspflichtige Arzneimittel basiere.
Tipps gegen die Lieferengpässe
Ein anderer Punkt, auf den Kai Girwert einging, war die die fehlende Lieferbarkeit von Medikamenten: „Es wird geschätzt, dass Apotheker zehn Prozent ihrer Arbeitszeit damit verbringen, die Lieferengpässe irgendwie zu managen.“ In den Medien sei sehr viel von fehlenden Fiebersäften für Kinder und Antibiotika die Rede. „Aber das ist meines Erachtens nur die Spitze des Eisbergs“, so Kai Girwert. Es gehe beispielsweise durchaus auch um Blutdruck- und Cholesterinsenker oder Antirheumatika. Mit einer Entspannung in der näheren Zukunft rechne er nicht.
Als Tipp gab der Apotheker den DIA-AID-live-Teilnehmenden mit auf den Weg, sich bezüglich Lieferschwierigkeiten von benötigten Medikamenten regelmäßig auf der Website des Bundesinstitus für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zu informieren – und sich gegebenenfalls schon einige Wochen vor dem Aufbrauchen einer Packung beim Arzt um eine neue Verordnung zu kümmern. Als weiteren Tipp empfahl er, sich auf dem Rezept möglichst das Kästchen „Aut idem“ nicht ankreuzen zu lassen. Geschehe dies, dürfe die Apotheke nur genau das verschriebene Medikament ausgeben – und kein Arzneimittel mit der gleichen Wirkung von einer anderen Firma.
Prüfung der Gesamtmedikation
Ein weiteres Thema, das zuletzt viel diskutiert wurde, sind die neuen pharmazeutischen Dienstleistungen, die von den Krankenkassen übernommen werden: Seit Mitte 2022 haben Patienten die Möglichkeit, sich in der Apotheke unter anderem bei diagnostiziertem Bluthochdruck die medikamentöse Blutdruckeinstellung standardisiert kontrollieren zu lassen, bei der Neuverordnung von inhalativen Arzneimitteln ihre Inhalationstechnik in der Apotheke zu üben und bei Polymedikation (also mehr als fünf verordneten Arzneimitteln) eine pharmazeutische Prüfung ihrer Gesamtmedikation durchführen zu lassen, um mögliche Wechselwirkungen oder auch Falschanwendungen zu ermitteln.
„Aber hat mein Hausarzt nicht sowieso im Blick, was ich so an Medikamenten einnehme“, kam eine Frage nach der Sinnhaftigkeit einer solchen Prüfung von einer Teilnehmerin. „Naja, aber du bekommst ja möglicherweise nicht nur Medikamente vom Hausarzt, sondern auch von Fachärzten verschrieben“, kam eine Replik direkt aus dem Auditorium. Und Kai Girwert wies zudem darauf hin, dass bei der Prüfung der Gesamtmedikation nicht nur die verordneten Medikamente analysiert würden, sondern auch eingenommene nicht-verschreibungspflichtige Arznei- und Nahrungsergänzungsmittel
Impfangebote und das E-Rezept
Ergänzend verwies Kai Girwert noch auf die Möglichkeit hin, sich in vielen Apotheken gegen Covid und Grippe impfen zu lassen. Hierbei war ihm wichtig zu betonen, dass sich die Apotheken dabei keineswegs in Konkurrenz zu den niedergelassenen Ärzten sähen, sondern lediglich ein zusätzliches Angebot machten – beispielsweise auch zu Tageszeiten und Wochentagen, an denen die meisten Arztpraxen gemeinhin geschlossen hätten, etwa spätnachmittags oder an Samstagen.
Ein abschließender Aspekt des DIA-AID-live-Abends war das neue E-Rezept, also die Möglichkeit, ein Arzneimittelrezept nicht mehr auf dem traditionellen, vom Arzt unterschriebenen Vordruck, sondern als digitale Anwendung zu erhalten. Dies könne auf dem Smartphone über eine sichere E-Rezept-App, als Papierausdruck aus der Arztpraxis oder – seit Juli 2023 – auch direkt über die Elektronische Gesundheitskarte geschehen. Als einen – auch von vielen DIA-AID-Teilnehmenden so gesehenen – immensen Vorteil stellte Kai Girwert die Möglichkeit heraus, sich Folgerezepte im selben Quartal ohne einen erneuten Besuch in der Praxis ausstellen zu lassen.