Viele kalorienreduzierten Lebensmittel enthalten Zuckeraustauschstoffe wie beispielsweise Erythrit. Viele Ärzte legen diese Produkte vor allem denjenigen ans Herz, die abnehmen wollen oder an Diabetes erkrankt sind. Eine aktuelle Studie aus der renommierten wissenschaftlichen Zeitschrift Nature kommt zu dem Ergebnis, dass Erythrit mit Vorsicht zu genießen ist.
Die Wissenschaftler gingen folgendermaßen vor: Sie untersuchten das Blut von über 1.100 Personen mit einem hohen Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Bei denjenigen, die im Zeitraum von drei Jahren einen Herzinfarkt oder Schlaganfall erlitten, war die Konzentration von Erythrit deutlich höher als bei den anderen Teilnehmern. Diese Sachlage konnten die Forscher auch an weiteren 3.000 Teilnehmern bestätigen, darunter an über 800 Personen aus Deutschland.
Was ist Erythrit?
Erythrit zählt chemisch gesehen zu den Zuckeralkoholen und ist ein Zuckeraustauschstoff. Bereits im Jahr 1848 gelang es dem schottischen Chemiker John Stenhouse Erythrit zu isolieren. Im Jahr 2006 wurde Erythrit in Europa als Lebensmittelzusatzstoff zugelassen. Auf der Verpackung von Lebensmitteln erkennt man das Süßungsmittel auch unter der E-Nummer E 968.
Erythrit lässt Thrombozyten verklumpen
In sich anschließenden Labor- und Tierexperimenten an Mäusen stellte sich heraus, dass Erythrit zu einer Verklumpung der Thrombozyten führt. In einem dritten Ansatz testeten die Wissenschaftler den Zuckeraustauschstoff an acht gesunden Personen. Diese tranken ein mit einer handelsüblichen Menge an Erythrit gesüßtes Getränk. Dadurch stieg wie erwartet die Konzentration an Erythrit im Blut, aber deutlich höher als erwartet. Das Getränk erhöhte den Erythritspiegel im Blut über zwei Tage so sehr, dass er laut der Forscher weit über dem Grenzwert lag, bei dem es unter den anderen Teilnehmern zu einer Herzerkrankung gekommen war.
Damit stellt sich die Frage: Wie gefährlich ist der dauerhafte Konsum von Erythrit? Das Ärzteportal DocCheck dazu: Darauf kann die Studie gar keine definitiven Antworten liefern. Das Nachrichtenportal fragte bei einer Spezialistin, bei Dr. Anne Christin Meyer-Gerspach aus Basel nach. „Erythrit kann vom Körper selbst hergestellt werden, zum Beispiel wenn der Blutzucker hoch ist. Damit versucht der Körper den Zucker rasch abzubauen", so Meyer-Gerspach. Einen hohen Blutzuckerspiegel haben Menschen mit Übergewicht, Diabetiker, aber auch Menschen, die viel Zucker essen. „Eine erhöhte Erythritkonzentration im Blut kann also Folge von hoher Eigenproduktion sein und wird nicht exklusiv bei entsprechendem Konsum von Erythrit beobachtet.“
Kein kausaler Zusammenhang nachweisbar
Deshalb kann man keinen kausalen Zusammenhang herstellen zwischen dem Verzehr von Erythrit und dem erhöhten Risiko für Herzerkrankungen. Es könnte ja theoretisch auch sein, dass manchen Menschen vermehrt Zucker zu Erythrit umwandeln. Meyer-Gerspach dazu: „Es ist unklar, wieviel Erythrit die Menschen in der Studie überhaupt konsumiert haben. Damit stellen sich folgende Fragen: Produzieren Personen mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko vermehrt Erythrit aus konsumiertem Zucker? Oder ist die endogene Erythritproduktion durch eine genetische Disposition gesteuert?“
„Süßungsmittel sollten intensiver beforscht werden.“
Weniger skeptisch äußert sich Dr. Stefan Kabisch von der Charité Berlin. Immerhin sei die Publikation „ein wichtiger, ja überfälliger Impuls dafür, auch bereits zugelassene Nahrungsmittel-Zusatzstoffe wie Süßungsmittel intensiver zu beforschen.“
In Europa ist Erythrit seit 2006 als Zusatzstoff zugelassen. Eine Untersuchung des
Bundesinstituts für Risikobewertung im Jahr 2014 hatte zuletzt keine gesundheitlichen Bedenken gegen die Verwendung von Erythrit ergeben. Langzeituntersuchungen wären aber von großem Interesse, da damit zu rechnen ist, dass beispielsweise die Getränkehersteller zunehmend auf andere Süßungsmittel zurückgreifen könnten, wenn in Deutschland tatsächlich demnächst die heftig diskutierte Zuckersteuer eingeführt werden könnte.
Wissenswertes zu Zuckeraustauschstoffen und Süßstoffen
Zuckeraustauschstoffe und Süßstoffe ersetzen in vielen Produkten Zucker. Doch worin unterscheiden sich beide Stoffe? Aus chemischer Sicht sind beide keine Zucker, schmecken aber süß.
Zuckeraustauschstoffe haben im Vergleich zu Zucker verschiedene Vorteile. Zucker enthält 40 Kilokalorien pro 10 Gramm, Zuckeraustauschstoffe etwa nur halb so viele Kilokalorien. Erythrit enthält sogar gar keine Kalorien. Zucker verursacht Karien, Zuckeraustauschstoffe nicht (oder kaum). Zuckeraustauschstoffe werden insulinunabhängig verstoffwechselt – der Blutzucker steigt nach dem Verzehr nur minimal an. Beispiele für Zuckeraustauschstoffe sind neben Erythrit unter anderem Xylit (Birkenzucker), Sorbit, Isomalt und Maltit.
Süßstoffe sind chemisch sehr unterschiedlich, haben aber alle eine höhere Süßkraft als Zucker. Einige Süßstoffe wie etwa Stevia sind natürlichen Ursprungs, die meisten werden jedoch im Labor erzeugt. Weitere Beispiele für Süßstoffe sind Aspartam, Sucralose, Cyclamat und Saccharin.