Nur jede fünfte Klinik hat ausreichend diabetologische Expertise

Fachgesellschaft fordert mehr Mittel für die Diabetes-Versorgung

Die Bedingungen zur Versorgung von Menschen mit Diabetes in deutschen Krankenhäusern sollten dringend verbessert werden. Das fordert die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG). Dazu müsste unter anderem das Abrechnungssystem geändert werden, weil viele Leistungen gar nicht berücksichtigt werden.

 


Nur rund zwanzig Prozent der Kliniken in Deutschland verfügen über ausreichendes diabetologisches Wissen für die rund drei Millionen Menschen mit Diabetes, die jedes Jahr im Krankenhaus stationär aufgenommen werden. Jeder fünfte Patient im Krankenhaus ist hierzulande an Diabetes erkrankt.

 

Ohne qualifiziertes Fachpersonal drohen große gesundheitliche Schäden

Viele Leistungen für die Behandlung von Diabetes werden im Katalog der diagnosebezogenen Fallpauschalen nicht berücksichtigt oder vernachlässigt. Deshalb werden diese Maßnahmen im jetzigen Gesundheitssystem nur unzureichend oder gar nicht vergütet.

„Dabei ist eine solide finanzielle Basis entscheidend, um die dringend benötigte Expertise und eine tragfähige Versorgung für etwa jeden 5. Patienten im Krankenhaus aufrechtzuerhalten“, so Prof. Dr. med. Andreas Fritsche von der DDG. „Ohne eine adäquate, individuell angepasste Diabetestherapie, die durch qualifiziertes Fachpersonal gewährleistet wird, drohen den Betroffenen große gesundheitliche Schäden. Das wiederum hat negativen Einfluss auf die Liegedauer im Krankenhaus sowie die Behandlungsergebnisse und damit auch auf die allgemeine Volkswirtschaft.“

Forderung nach Diabetes Units

Die Fachgesellschaft kritisierte, die angekündigte Krankenhausreform „entpuppt sich als Reinfall für Fächer wie die Diabetologie, die mit der Neustrukturierung eigentlich auf eine Neuordnung notwendiger Leistungen im Krankenhaus hofften“. Die DDG fordert für eine bessere Versorgung einen flächendeckenden Aufbau von sogenannten Diabetes Units. „Jede OP, jede akute Erkrankung schlägt sich auf den Glukosestoffwechsel nieder. Um Komplikationen zu verhindern, ist ein spezifisches diabetologisches Fachwissen erforderlich“, betonte Prof. Dr. Baptist Gallwitz von der DDG.

„Lebensbedrohliche Unterzuckerung im Krankenhaus wahrscheinlicher als im häuslichen Umfeld“

Besonders kritisch werde es beispielsweise, wenn im Zuge einer stationären Aufnahme die technischen Hilfsmittel wie Insulinpumpe oder CGM-Systeme vom Klinikpersonal aus Unkenntnis abgeschaltet werden und durch eine unzureichende Insulintherapie ersetzt wird. „Das ist leider kein Einzelfall, sondern spiegelt die tägliche Versorgungswirklichkeit wider“, ergänzt Gallwitz. „Es ist wahrscheinlicher, im Krankenhaus eine lebensbedrohliche Unterzuckerung zu haben, als im häuslichen Umfeld. Ein erschreckendes und inakzeptables Ergebnis!“

Genesung anderer Krankheiten hängt stark von Blutzuckerwerten ab

Fritsche ergänzt: „Wir fordern daher, dass eine qualifizierte, dem Versorgungslevel angepasste Diabetesexpertise in allen Krankenhäusern vorgehalten wird. Denn viele Patienten kommen nicht wegen, sondern mit ihrem Diabetes in eine Klinik: Menschen mit Diabetes werden auch mit einem Herzinfarkt, wegen einer Hüft-OP oder Krebserkrankung eingewiesen. Ihr Diabetes als Nebenerkrankung muss dabei zwingend mitbehandelt werden, denn ihre Prognose und Genesung hängt auch maßgeblich von ihrer Stoffwechsellage ab.“

Die Fachgesellschaft befürchtet, dass die Diabetesversorgung in mittleren und kleineren Krankenhäusern durch die Umstrukturierung weiter vernachlässigt wird und die Patienten letztlich die Leidtragenden sein werden. Die Reform dürfe nicht nur die akute invasive Notfalltherapie wie Herzkatheter und Stroke Units im Blick haben und die Diabetologie weiter finanziell, personell und ideell ausbluten lassen, mahnte Fritsche.