Bundesregierung will gegensteuern

Einsamkeit macht krank

Nicht nur die Seele, sondern auch der Körper leiden, wenn ein Mensch sich einsam fühlt. Die Auswirkungen von sozialer Isolation sind enorm. Die Bundesregierung will mit einer Strategie gegen Einsamkeit gegensteuern.

In Deutschland ist etwa jeder Zehnte dauerhaft einsam. Chronische Einsamkeit hat gravierende negative Konsequenzen auf die Gesundheit und die Lebenserwartung. Besonders häufig betroffen sind junge Erwachsene im Alter von 18 bis 30 Jahren und Menschen über 80. Einsamkeit hängt zwar stark mit sozialer Isolation zusammen, ist jedoch nicht damit identisch. Nicht immer fühlen sich Menschen einsam, wenn sie allein sind.

Wer einsam ist, stirbt früher

Die Auswirkungen von Einsamkeit auf die psychische und die körperliche Gesundheit sind hoch. Depressionen und Angsterkrankungen, aber auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Immunerkrankungen und Stoffwechselstörungen wie Diabetes können die Folgen sein. Einer Studie zufolge ist die Sterblichkeit dauerhaft einsamer Menschen deutlich erhöht. Soziale Isolation ist dieser Untersuchung zufolge stärker für eine verfrühte Sterblichkeit verantwortlich als Rauchen oder Alkohol.

Kompetenznetz Einsamkeit

Um etwas gegen die Einsamkeit der Deutschen zu tun, will das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSJ) zusammen mit dem Kompetenznetz Einsamkeit (KNE) eine Strategie gegen diesen Zustand entwickeln. „Es geht darum, wie Einsamkeit vorgebeugt und bekämpft werden kann. Wir wollen evidenzbasierte Strukturen schaffen“, erklärte Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen). Das Thema müsse aus zivilgesellschaftlicher, wissenschaftlicher und politischer Perspektive betrachtet werden.

Während der Pandemie hat Einsamkeit zugenommen

Gerade während der Covid-19-Pandemie habe Einsamkeit in allen Altersgruppen stark zugenommen, berichtete Prof. Dr. phil. Maike Luhmann, Ruhr-Universität Bochum. Besonders betroffen waren Jugendliche und junge Erwachsene, Eltern kleiner Kinder und Alleinlebende. Die jungen Erwachsenen bis etwa 30 Jahre liegen der Wissenschaftlerin zufolge an der Spitze derjenigen, die sich einsam fühlen. Unterschiede zwischen Frauen und Männern gibt es kaum. Einfluss hat allerdings das Bildungsniveau: je niedriger das Bildungsniveau, desto höher ist das Risiko, sich einsam zu fühlen.

Wie viele Menschen man um sich herum brauche, um sich nicht einsam zu fühlen, sei individuell sehr unterschiedlich, betonte Luhmann. Es gebe allerdings Risikofaktoren für Einsamkeit wie Introvertiertheit, emotionale Instabilität, Arbeitslosigkeit beziehungsweise Armut, Leben ohne Partner, Migrationshintergrund sowie schlechte Beziehungen zu anderen Menschen. Auch Brüche im sozialen Umfeld, ein Umzug, Trennungen sowie der Tod nahestehender Menschen könnten ein Grund für Einsamkeit sein. Auch Menschen mit einer nicht-heterosexuellen Orientierung sind häufiger von Einsamkeit betroffen.

Geflüchtete fühlen sich oft einsam

Auch für geflüchtete Menschen ist Einsamkeit eine große Herausforderung. „Hierbei geht es um das Zugehörigkeitsgefühl. Sprechen wir über Einsamkeit von Geflüchteten sind die Menschen ja nicht nur geografisch vertrieben, also weit weg von dem bekannten zuhause, sondern auch emotional und relational. Das heißt, dass durch Flucht soziale, wirtschaftliche und kulturelle Realitäten zurückgelassen werden, zu denen starke soziale, psychologische und emotionale Bindungen bestehen“, so Theresa Herzog von der Wirtschaftsuniversität Wien.

Eine Arbeitsgruppe unter der Federführung des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf hat gerade untersucht, welche Maßnahmen bei älteren Menschen, die potenziell von Isolation und Einsamkeit bedroht sind, helfen könnten. Sie fand einen Anhaltspunkt dafür, dass professionell geleitete Gruppen hier sehr hilfreich sein können. Auch Besuchsprogramme durch Ehrenamtliche steigern die Lebenszufriedenheit und lindern Angststörungen.