Körperkunst, die Leben retten kann

Kostenloses Diabetes-Tattoo in Wolfenbüttel und Braunschweig

Ein blauer Kreis, der Leben retten kann: Der Tätowierer Tibor Nagy sticht in seinen Tattoostudios in Wolfenbüttel, Braunschweig und Ungarn das internationale Diabetes-Symbol kostenlos unter die Haut und will damit zu einer besseren Notfallversorgung von Diabetikerinnen und Diabetikern beitragen. Wir haben ihn besucht und bei der Arbeit über die Schulter geschaut.

Sich als Diabetiker öffentlich erkennbar zu machen ist heute für Betroffene weniger ein Problem denn je. Führte noch vor wenigen Jahren die Angst vor dem Verlust des Führerscheins oder des Arbeitsplatzes nicht selten zu einer Verheimlichung der Krankheit, so ist unter jüngeren Betroffenen heute weitgehend durchgesetzt, dass ein gut sichtbarer Hinweis auf den Diabetes im Zweifel sogar Leben retten kann. Nicht zuletzt die Veröffentlichung der europäischen Leitlinie „Diabetes und Fahrtauglichkeit“, in der die grundsätzliche Fahrtauglichkeit von Diabetikerinnen und Diabetikern offiziell bestätigt wird, hat dieses Umdenken bekräftigt.

Eine besondere Art von Diabeteserkennungszeichen bietet der ungarische Tätowierer Tibor Nagy in seinen drei Tattoostudios in Wolfenbüttel, Braunschweig und Ungarn an. Basierend auf einer Idee seines Kollegen Istvan Marton sticht er den blauen Diabeteskreis inklusive dem Hinweis „Diabetic“ und der Angabe des Typs unter die Haut auf den Unterarm. Dorthin, wo Rettungssanitäter und Notfallhelfer den Puls fühlen, gut sichtbar und eindeutig. Nagy bietet diesen Service interessierten Betroffenen kostenlos an. Sehr angetan von dieser Idee hat unser Landesbeauftragter für Kommunikation, André Owczarek, den engagierten Magyaren  in seinem Wolfenbütteler Studio besucht und bei der Arbeit über die Schulter geschaut.

Tattoos, die Leben retten

„Das Diabetes-Tattoo ist und bleibt kostenlos“, betont Tibor, mit dem man sofort per Du ist, auf Nachfrage als Erstes. Auch kann er die Bedenken mancher Betroffener, sich als Diabetiker erkennbar zu machen, nicht verstehen. Ihm schlage bisher fast nur Begeisterung für die Idee entgegen. „Natürlich gibt es auch Leute, die das Angebot falsch oder unangemessen finden, aber die Diabetiker, die auf mich zukommen, sind allesamt begeistert.“, berichtet der junge Mann engagiert. Für wen ein Tattoo zu permanent sei, der könne ja auch eine Halskette oder ein Armband mit einem entsprechenden Hinweis tragen. Im Mittelpunkt stehe die Botschaft: Der Hinweis auf einen Diabetes kann Leben retten.

Eine Community für Diabetiker

Die Warteliste für das Motiv bei „Ink Therapy“, so der Name seines Wolfenbütteler Tattoo- und Piercingstudios, sei lang. Aber Tibor ist zum Glück nicht der einzige, der diesen speziellen Service kostenlos anbietet. Beim Kaffee erläutert seine Frau Xenia dass es in Deutschland bereits mindestens 20 Studios gäbe, die mit im Boot säßen, Tendenz rapide steigend. In Ungarn, wo die Idee geboren wurde, seien es sogar bereits über 200. „Es ist eine stetig wachsende Community. Unter www.lifeguardtattoo.com kann man ein entsprechendes Studio in der eigenen Region suchen und sich für das Stechen des Motives registrieren lassen“, erklärt die ebenfalls aus Ungarn stammende Xenia begeistert.

Blauer Kreis als Standard

Auf die Frage nach der Wahl des Motivs antwortet Tibor: „Ein Kollege hat sich bei Rettungsdiensten, Ärzten und Krankenschwestern erkundigt. Der blaue Kreis als Symbol für den Diabetes ist unter diesen bereits weitgehend bekannt und durchgesetzt. Der Zusatz ‚diabetic‘ stellt dann ja auch unmissverständlich klar, worum es sich handelt.“ Aus Ungarn sei ihm bereits ein Fall bekannt, bei dem das unter die Haut gestochene Symbol seinen Nutzen bewiesen habe. Eine unterzuckerte Frau sei gerade noch so in der Lage gewesen, einem herbeigerufenen Sanitäter ihren Unterarm zu zeigen. Der Sanitäter habe das Symbol sofort erkannt und entsprechende Maßnahmen eingeleitet. „Egal wie der Tätowierer es konkret umsetzt, der blaue Kreis sollte klar erkennbar sein“, betont er.

Ein beeindruckendes Feedback

Tibor erlebte nach Veröffentlichung eines Artikels über sein Angebot in der „Wolfenbütteler Zeitung“ geradezu einen Ansturm tätowierwilliger Diabetiker. „Es sind nicht nur junge Menschen oder bereits Tätowierte dabei, auch ältere Menschen, die nie etwas mit Tattoos am Hut hatten, kommen zu mir und wollen das Motiv haben. Es ist echt beeindruckend. Ich denke, wir haben da eine wichtige und gute Sache aufgegriffen. Es freut mich natürlich, damit auch etwas gegen das schlechte Image von Tätowierungen tun zu können. Ich selbst habe noch erlebt, wie mir und meiner Frau aufgrund unserer Körperkunst eine Wohnung verweigert worden ist“, erläutert er im Beisein seines letzten Kunden Andre, dem er gerade das Motiv unter die Haut gestochen hat.

Offenheit und Aufklärung

Das ungewöhnliche Angebot Tibors und seiner Kollegen ist vielleicht nicht für jedermann etwas, aber definitiv eine Art von modernem Umgang mit dem Diabetes. Als Diabetiker Niedersachsen raten wir zumindest keinem Typ 1-Diabetiker davon ab, sich heutzutage erkennbar zu machen. Ob über eine Halskette, ein Armband oder auch ein Tattoo muss jeder selbst entscheiden.  Zu einem offeneren und aufgeklärten Umgang mit der Krankheit tragen Aktionen dieser Art sicher bei. Wir freuen uns, dass wir Tibor bei der Arbeit besuchen durften und wünschen ihm und seinen mitmachenden Kollegen weiterhin viel Erfolg mit dem kostenlosen Diabetes-Tattoo. „Ink Therapy“ ist hier im Web erreichbar