Sie haben über Jahre hinweg viele verschiedene Diäten ausprobiert. Geholfen hat das jedoch nichts – eher im Gegenteil: Sie haben an Gewicht zugelegt. Wie erklären Sie sich das?
Es gab zwei Probleme. Das eine war natürlich die Menge des Essens, die ich zu mir genommen habe. Dazu kam aber noch eine psychische Blockade, durch die ich nicht abnehmen konnte und auch wollte. Ich habe die Nähe zu anderen Menschen früher als unangenehm empfunden. Und mit dem Gewicht habe ich eine Art Abstand zur Umwelt aufgebaut.
Das bedeutet: Es geht nicht nur um Kalorien, sondern auch um die Psyche.
Ganz genau. Und die habe ich dann 2003 mit einer Therapie in Angriff genommen. Da konnte ich dann ein bisschen loslassen. Wobei ich bewusst „ein bisschen“ sage, weil ich das Thema gänzlich nicht loslassen kann. Aber ich habe mich geöffnet. Ein Teil davon ist ja auch, dass ich ein Buch geschrieben habe und Lesungen veranstalte. Das wäre früher undenkbar gewesen.
Was ist bei der Therapie passiert?
Ich habe mein Leben von der Kindheit an neu kennengelernt. Und dabei habe ich erfahren, dass ich bestimmte negative Erfahrungen hinter mir lassen kann.
Die Beschäftigung mit der Vergangenheit hat den Blick für die Zukunft freigemacht?
Richtig. Mein Übergewicht war ja immer schon ein Thema. Aber ich wusste nie, weshalb ich eigentlich zunehme. Jetzt hatte ich gelernt, dass das Gewicht nicht alles ist. Dadurch wurde das Problem greifbarer. Und ich war bereit, es ernsthaft anzugehen.
Wann kam der Punkt, an dem Sie sich zur Operation entschieden haben?
Das war eher ein Prozess. Zum einen war es die Therapie, also die Zeit von 2003 bis 2006, bei der für mich im Kopf klargeworden ist: Du kannst und du darfst Gewicht abnehmen – dir wird nichts passieren. Das hatte viel mit meinem neu erlangten Selbstbewusstsein zu tun. Und zum anderen hat meine Waage irgendwann „Error“ angezeigt. Das bedeutet, ich wog mehr als sie mit 180 Kilogramm anzeigen konnte. Da habe ich gedacht: Jetzt ist Schluss.
Nach der Operation mussten Sie zunächst mal wieder essen lernen.
Direkt nach der Magenverkleinerung gibt es zunächst mal nur Suppe und Brei. Nach einigen Wochen kann man dann auch wieder feste Nahrung wie Brot und Kartoffeln zu sich nehmen. Mittlerweile kann ich eigentlich wieder alles essen, was ich möchte. Aber der Magen ist ja eben kleiner. Das bedeutet, ich muss aufpassen, wie viel ich da rein schaufele. Es sind pro Tag drei kleine Mahlzeiten angesagt. Beim Frühstück muss ich also beispielsweise überlegen: Esse ich jetzt ein Brötchen oder trinke ich eine Tasse Kaffee. Beides zusammen passt nicht rein. Beim Mittagessen ist das ähnlich. Suppe ist für mich also kein Thema. Denn dann ist der Magen voll und es gibt nichts mehr!
Sie geben zu, kein Musterpatient zu sein. Was meinen Sie damit?
Der Musterpatient nimmt bis zu 80, 90 oder gar 100 Kilo ab. Ich habe inzwischen netto 40 Kilo verloren. Das ist sicher kein Musterbeispiel – aber durchaus normal. Außerdem habe ich die Schwäche, dass ich Süßem nicht immer widerstehen kann!
Essen Sie jetzt bewusster?
Früher war für mich immer klar: Der Magen ist leer, da muss jetzt was rein! Dabei war es eigentlich egal, was es war. Hauptsache, es war viel. Jetzt weiß ich schon im Vorfeld, dass ich gar nicht so viel essen kann. Bei einem kalten Büfett lasse ich also so etwas wie Nudel- oder Kartoffelsalat gleich weg. Stattdessen genieße ich eher die kleinen Spezialitäten, die man sonst nicht so bekommt. Und wenn ich essen gehe, bestelle ich mir auch bestimmt keinen Berg Pommes.
Was hat sich sonst verändert?
Ich treibe wieder regelmäßig Sport. Und all die gesundheitlichen Probleme von vorher – etwa Achillessehnenprobleme und Rückenschmerzen – spielen keine Rolle mehr. Gebessert hat sich auch der Blutzuckerwert: Von knapp unter 7 mmol/l (etwa 120 mg/dl – Anm. d. Red.) vor der OP auf heute 6,3 mmol/l (114 mg/dl – Anm. d. Red.).
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Ihre Erfahrungen in einem Buch der Öffentlichkeit zugänglich zu machen?
Ich habe schon in der Therapie gelernt, meine Gefühle und Gedanken zu Papier zu bringen. Da habe ich kleine Texte in Gedichtform geschrieben. Eine Bekannte, die einen Verlag leitet, meinte dann, dass mein Werdegang auch ein interessantes Thema für ein Buch wäre. Nach der OP habe ich dann angefangen, zu schreiben. Das war eine Zeit, in der ich zum ersten Mal in meinem Leben gesehen habe, wie die Wage runtergeht. 50 Jahre war es immer nur hochgegangen. Und jetzt plötzlich in die andere Richtung – das war ein wahnsinniges Erfolgsgefühl. Dadurch stieg auch das Selbstbewusstsein noch einmal. Und so konnte ich dann auch den Schritt an die Öffentlichkeit gehen.
Was werden Sie den Besuchern des Infoabends beziehungsweise der Lesung am 16. Januar in Goslar mitteilen?
Es wird um meine Lebensgeschichte gehen. Und dabei vor allem um die Monate nach der OP – also darum, wie das Leben im wahrsten Sinne des Wortes leichter wird.
Das Buch: Klaus-D. Vogt, „Gespräche mit meinem Bauch“, 172 Seiten, Dorise-Verlag