Experte gibt Auskunft

Vor- und Nachteile von Tabletten bei Diabetes

In den letzten Jahren sind Medikamente, die man schluckt, für Menschen mit Diabetes immer wichtiger geworden. Prof. Dr. Hellmut Mehnert erklärte gegenüber der Ärztezeitung welchen Stellenwert er ihnen gibt.

Das wichtigste Medikament für Menschen mit Diabetes, das oral eingenommen wird, ist und bleibt Metformin. Dieser Wirkstoff senkt nicht nur den Blutzucker, sondern auch das LDL-Cholesterin. Diabetiker, die Metformin einnehmen, sterben seltener Herzerkrankungen, so Prof. Dr. Mehnert in einem Artikel, der kürzlich in der Ärztezeitung erschienen ist. Mehnert beschäftigt sich seit über 60 Jahren mit dem Thema Diabetes und hat das erste Schulungszentrum für Diabetiker in Deutschland gegründet.

Ebenfalls schon lange im Einsatz ist Acarbose, ein Medikament für Typ-2-Diabetiker, das einen raschen Blutzuckeranstieg nach den Mahlzeiten verhindert. Allerdings kommt es vor allem am Anfang der Einnahme bei einer zu hohen Dosierung oft zu lästigen Blähungen und Durchfällen.

Pioglitazon nicht von der Kasse bezahlt

Mehnert schreibt, dass Pioglitazion sehr gut der Insulinresistenz entgegenwirkt und zudem als einziges Mittel gegen Diabetes einen günstigen Einfluss auf die Fettleber hat. Leider wird diese Substanz in Deutschland nicht mehr von den Krankenkassen erstattet.

Auslaufmodell Sulfonylharnstoffe

Sulfonylharnstoffe (Glibenclamid, Glimepirid, Gliclazid, Gliquidon) senken besonders den Blutzucker besonders wirksam. Leider führen sie oft zu Gewichtszunahme und Unterzuckerungen. Die Gefahr für Stürze erhöht sich. Frühere Vermutungen, dass Sulfonylharnstoffe Herzprobleme verursachen könnten, haben sich nicht bestätigt. Trotzdem hält Mehnert diese Wirkstoffgruppe aufgrund besserer Alternativen für ein Auslaufmodell.

Gliptine (Sitagliptin, Saxagliptin) haben sich jetzt schon zehn Jahre lang bewährt. Nicht zuletzt deswegen, weil sie kein Risiko für Unterzucker darstellen. Der Blutzucker wird nämlich nur dann gesenkt, wenn er zu hoch ist. Sie werden deswegen bevorzugt dann verordnet, wenn es darum geht, Unterzucker zu vermeiden.

Gliflozine schützen auch das Herz

Gliflozine (Dapagliflozin, Ertugliflozin, Empagliflozin) bewirken, dass Zucker vermehrt über den Urin ausgeschieden wird. Außerdem nehmen Diabetiker häufig während der Einnahme ab und das Herz wird geschützt. Mehnert: „Bei Therapie mit Empagliflozin ergab sich im Vergleich zu Placebo eine um 38 Prozent reduzierte kardiovaskuläre Mortalität, eine um 32 Prozent reduzierte Gesamtmortalität und eine um 35 Prozent reduzierte Rate an Hospitalisierungen wegen Herzinsuffizienz. Ähnliche Ergebnisse wurden mit Canagliflozin und Dapagliflozin erzielt. Die Substanzen werden jetzt auch als Therapie gegen Herzinsuffizienz weiterentwickelt“.

Einen gewissen Schutz fürs Herz bietet auch der GLP-1-Hemmer Semaglutid. In den USA ist diese Substanz schon auf dem Markt, in Europa befindet sich sie derzeit im Zulassungsprozess. Die restlichen GLP-1-Hemmer Exenatid, Liraglutid, Dulaglutid und Albiglutid müssen gespritzt werden.

Die meisten Diabetiker erhalten mehrere Medikamente

Die offiziellen Empfehlungen in den Leitlinien raten Ärzten zu einer Kombination mehrerer Medikamente, beispielsweise von Metformin, einem Gliptin und einem Wirkstoff aus der Gruppe der Gliflozine. Diabetiker, die Insulin einnehmen erhalten oft zusätzlich einen GLP-1-Hemmer.