Versorgung mit Insulin

Krieg in der Ukraine: Situation für Menschen mit Diabetes katastrophal

Nach zwei Wochen Krieg in der Ukraine verschlechtert sich die Situation der Zivilbevölkerung zusehends. Als besonders schwierig gestaltet sich dabei auch die Gesundheitsversorgung. Und dabei trifft es Menschen mit chronischen Erkrankungen besonders hart. Wie das Rote Kreuz mitteilt, fehlt es neben Sauerstoff, Betäubungsmitteln, Blutreserven, Schutzkleidung und Operationsbesteck auch an Insulin.

Auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sagte zuletzt, dass derzeit sehr viele Menschen, die auf eine regelmäßige Insulinversorgung angewiesen sind, in der Ukraine nicht versorgt werden könnten. Unter anderem sei das größte Insulin-Lager des Landes zerstört worden – und zwar offensichtlich gezielt. Insgesamt ist es derzeit schwierig, an gesicherte Informationen zur Situation der geschätzt 2,5 Millionen Menschen mit einem Diabetes – darunter etwa 15 - 20.000 Kinder und Jugendliche – im Land zu gelangen. Klar ist jedoch: Die ohnehin furchtbare Lage muss ohne gesicherte Insulin-Versorgung katastrophal sein.

Bund plant Hilfslieferungen

Laut Lauterbach plant der Bund nun Hilfs- und Arzneimittellieferungen. Allerdings ist es bislang vollkommen offen, wie diese Lieferungen konkret aussehen sollen, was genau geliefert wird und vor allem, wie die Hilfsgüter überhaupt zu den Bedürftigen in der Ukraine gelangen. Lauterbach will dies „in den nächsten Tagen“ präzisieren.

Schnelle Hilfe für Geflüchtete?

Nicht viel besser sieht die Situation für denjenigen Menschen aus, die auf der Flucht vor dem Krieg derzeit in Deutschland ankommen. Bei einer schwierigen oder gar unmöglichen Versorgung mit Insulin in der Ukraine und nach einer mehrtägigen Flucht dürften auch eventuell noch vorhandene Reserven schnell aufgebraucht sein.

„Sobald bei ukrainischen Staatsangehörigen eine Hilfebedürftigkeit beispielsweise in Bezug auf Unterkunft, Verpflegung oder medizinische Versorgung vorliegt und diese gegenüber einer Kommune geäußert wird, besteht eine Leistungsberechtigung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG)“, teilt das Niedersächsische Innenministerium mit. Und weiter: „Im Krankheitsfall werden gemäß § 4 AsylbLG die zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände erforderlichen ärztlichen und zahnärztlichen Leistungen einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln gewährt.“

Auch Dolmetscherkosten, die im Zusammenhang mit der medizinischen Versorgung entstehen, können übernommen werden. Allerdings müssen sich die ukrainischen Staatsangehörigen für die Gewährung der Leistungen an die örtliche Asylbewerberleistungsbehörde wenden. Grundsätzlich werden dann Behandlungsscheine ausgestellt, mit denen die Menschen einen Arzt aufsuchen können.

In Notfallsituationen ein Krankenhaus aufsuchen

Aber dauert das für chronisch Erkrankte, die dringend medizinisch versorgt werden müssen, nicht zu lange? „Im Falle einer Notfallsituation können die Betroffenen auch direkt ein Krankenhaus aufsuchen“, betont Ministeriumssprecherin Rosa Legatis. „Die Übernahme der Kosten erfolgt dann im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften im Nachhinein.“

Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KVB) betont, dass die Behandlung in Notfällen auch ohne Behandlungsschein erfolgen kann. Demnach können auch die Krankenkassen in Vereinbarung mit den Ländern die auftragsweise Betreuung übernehmen. Hierfür bedürfe es einer entsprechenden Vereinbarung zwischen den jeweiligen Bundesländern und den gesetzlichen Krankenkassen. In Niedersachsen besteht nach Angaben des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) aktuell eine solche Vereinbarung. Ebenso in Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Thüringen.

„Es geht jetzt darum, den Menschen so schnell und unbürokratisch wie möglich zu helfen“, sagt der KBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Andreas Gassen, der unter anderem auch explizit darauf hinweist, dass unter den Geflüchteten viele Menschen seien, die dringend Insulin oder auch ein Herzmedikament benötigten. Die Praxen stünden bereit, um die Menschen zu versorgen, so KBV-Vizechef Dr. Stephan Hofmeister.

Behörden effizient aufstellen

Der Landesvorsitzende der Diabetiker Niedersachsen, Arnfred Stoppok, befürchtet jedoch, dass die Behörden bei der Registrierung der ankommenden Geflüchteten schnell an ihre Belastungsgrenzen kommen könnten. „Voraussetzung für die Übernahme von Leistungen ist die Verfügung über einen Behandlungsschein. Dieser wird nur nach erfolgreicher Registrierung beim zuständigen Landkreis oder in den kreisfreien Städten ausgegeben. Nach den Erfahrungen aus der letzten Flüchtlingskrise habe ich allerdings große Sorge, dass dies im Einzelfall nicht schnell genug erfolgt. Die Behörden sollten sich dringend effizient aufstellen, um geflüchteten Menschen aus der Ukraine mit Diabetes und anderen akut behandlungsbedürftigen Erkrankungen nicht indirekt vermeidbare gesundheitliche Schäden zuzufügen“, so Stoppok.